Erickson wandte sich nicht nur von der bis dahin traditionellen Psychotherapie ab, sondern ebenfalls von der klassischen Methode der Hypnose. Zwei Drittel seiner Patienten behandelte er, ohne bei ihnen mit den bekannten Mitteln wie Pendel, Spiegel oder fixierendem Augenkontakt absichtlich eine Trance einzuleiten. Die stellte sich jedoch während der Gespräche häufig spontan ein. Erickson wollte auch nicht einen möglichst passiven Patienten “umprogrammieren”. Sein Ziel war es, dem Patienten im hypnotischen Trancezustand dessen Begabungen vor Augen zu führen. Die Trance erleichterte den Zugang zu unterbewußten Fähigkeiten, die sonst durch die Logik des Denkens und den Intellekt überdeckt werden. Veränderungen zu fördern, auch wenn sie dem Behandelten unbewußt suggeriert wurden, war Erickson wichtiger, als – à la Freud – Vergangenes zu erhellen oder Symptome eines psychischen Leidens bis ins Detail zu analysieren. Der Vorteil seines pragmatischen Ansatzes zeigt sich in der Anzahl der nötigen Sitzungen im Rahmen einer Therapie nach Erickson: In der Regel sind es kaum mehr als 25 Stunden. Bei einer klassischen Psychoanalyse sind dagegen 300 Therapiestunden keine Seltenheit.
Berühmt sind die Prüfungen, die Erickson seinen Patienten auferlegte. Auf seine Anweisung haben viele den Squaw Peak erklommen, einen Berg vor den Toren von Phoenix, wo Erickson praktizierte. Sie sollten neue Erfahrungen sammeln, Ungewohntes erleben, Muster durchbrechen. Eine Lehrerin, die über ihr eingefahrenes Leben verzweifelt war, wies er an, einen Monat lang jeden Tag einen anderen Weg zur Arbeit zu fahren. Das Unbewußte, das Erickson durch die Hypnotherapie der Erinnerung zugänglich machte, definierte er völlig anders als Freud: Es war nicht mehr der Hort aller verbotenen, verdrängten und unerwünschten Triebe und Ängste. Vielmehr lagen für ihn hier die wahren Fähigkeiten des Menschen verborgen. Erickson versuchte mit dem Unterbewußtsein des Patienten “kreativen Kontakt” aufzunehmen. Das gelang ihm oft durch das Erzählen von Märchen, Parabeln, Metaphern und Anekdoten. Er war überzeugt, daß eine auf die Situation des Patienten zugeschnittene Geschichte ihn in der Trance tiefer berührt, ihn für die Botschaft empfänglicher macht und ihn suggestiv dazu anregen kann, eigene Verhaltensmuster zu überdenken.