Weit ausgedehnte Quellwolken beschatten im Bereich der Passatwinde große Teile der Erdkugel. Da sie die Sonnenstrahlung reflektieren, mildern sie die Erderwärmung ab. Bisherige Klimamodelle sagten jedoch einen Teufelskreis voraus: Demnach sorge die globale Erwärmung dafür, dass sich die kühlenden Wolken schneller auflösen als bisher, was wiederum eine weitere Aufheizung antreibe. Erstmals haben Forscher diese Vorhersage nun empirisch untersucht – und haben positive Nachrichten: Ihre Beobachtungen und Berechnungen legen nahe, dass die Wolken auch bei wärmerem Klima bestehen bleiben und weiter dabei helfen können, die Erwärmung der Erde abzufedern.
Nördlich und südlich des Äquators, in der Passatwindzone, beschatten dichte Quellwolken rund 20 Prozent der Erdoberfläche. Da sie die Sonnenstrahlung reflektieren, tragen sie entscheidend dazu bei, die Erwärmung der Erde abzumildern. Bisherige Klimamodelle gingen jedoch davon aus, dass die Wolken diese Funktion schon bald nicht mehr wahrnehmen könnten. Die Hypothese: Durch die Klimaerwärmung verdunstet zwar mehr Wasser aus dem Meer und sorgt für eine höhere Luftfeuchtigkeit an der Unterseite der Wolken. Doch die Luftmassen oberhalb der Wolken bleiben sehr trocken. Da der große Feuchtigkeitsunterschied durch Durchmischung ausgeglichen wird, könnten die Wassertröpfchen schneller als bisher verdunsten, sodass sich die Wolken bereits nach kurzer Zeit auflösen müssten.
Messflüge in der Karibik
„Die Hypothese der Vermischung und Austrocknung wurde jedoch noch nie anhand von Beobachtungen überprüft“, schreibt ein Team um Raphaela Vogel von der Universität Hamburg im Fachmagazin Nature. „Da die Passat-Quellwolken geografisch sehr weit ausgedehnt sind, können bereits kleine Fehler bei der Vorhersage ihrer Reaktion auf die Erwärmung große Auswirkungen auf den globalen Strahlungshaushalt haben.“
Um die Hypothese zu überprüfen, starteten die Wissenschaftler im Januar 2020 eine groß angelegte Messkampagne. Mit zwei Forschungsflugzeugen unternahmen sie einen Monat lang Messflüge in der Karibik rund um Barbados. „Wir wählten diese Region, da die Wolken dort repräsentativ für den gesamten Passatwindgürtel sind“, so Vogel und ihr Team. Aus einem Flugzeug wurden hunderte sogenannte Dropsonden in neun Kilometer Höhe abgeworfen, die im Fallen Daten zu Temperatur, Feuchtigkeit, Druck und Wind erhoben. Das andere Flugzeug vermaß in 800 Metern Höhe die Wolken an der Wolkenbasis.
Wolken reagieren anders als erwartet
Die Ergebnisse zeigen, dass die bisherigen Annahmen über die Rolle dieser Wolken beim Klimawandel korrigiert werden müssen: „Passatwolken beeinflussen das Klimasystem weltweit, aber sie reagieren offenbar anders als erwartet“, sagt Vogel. „Deshalb ist ein sehr extremer Anstieg der Temperatur der Erdoberfläche weniger wahrscheinlich als bisher angenommen. Das ist für eine verbesserte Darstellung künftiger Klimaszenarien enorm wichtig, bedeutet aber keine Entwarnung in Sachen Klimaschutz.“
Die empirisch erhobenen Daten stehen im Gegensatz zu den gängigen Klimamodellen, denen zufolge eine größere Vermischung zu einer Austrocknung der unteren Wolkenschicht und damit zu einer geringeren Bewölkung führt. Denn auch wenn dieser Prozess durchaus nachweisbar ist, vernachlässigen die bisherigen Klimamodelle einen weiteren wichtigen Faktor: Umwälzungsprozesse auf mittlerer Größenebene, größer als die einzelne Wolke, aber kleiner als großskalige Zirkulationen. Diese sogenannten mesoskaligen Bewegungen verhindern die Austrocknung und sorgen im Gegenteil sogar dafür, dass sich mehr Wolken bilden.
„Dies ist eine gute Nachricht, da wir zeigen konnten, dass die Passatwolken weit weniger empfindlich auf die Erderwärmung reagieren als lange angenommen“, sagt Vogel. „Mit unseren Beobachtungen und Erkenntnissen können wir direkt testen, wie realistisch Klimarechenmodelle das aktuelle und das zukünftige Auftreten der Passatwolken darstellen. Vielversprechend ist dabei eine neue Generation hochauflösender Klimamodelle, die die Dynamik der Wolken weltweit bis zu einem Kilometer genau abbilden kann. So werden künftige Prognosen genauer und aussagekräftiger.“
Quelle: Raphaela Vogel (Universität Hamburg) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-05364-y