In einem bisher unerforschten Gebiet der peruanischen Anden haben Biologen erstmals einen Brillenbären mit goldenem Fell entdeckt. Damit ähnelt dieses extrem seltene Exemplar auffallend dem Kinderbuch-Bären “Paddington”, der laut Geschichte ebenfalls aus Peru kommen soll. Positiv ist auch die Bilanz bei den restlichen normal dunkelbraunen Brillenbären: Zumindest in diesem entlegenen Gebiet ist ihr Bestand größer als angenommen, wie das Team ermittelte.
Der Brillenbär (Tremarctos ornatus) ist die einzige heimische Bärenart in Südamerika und gilt als der einzige noch existierende Vertreter der Kurzschnauzenbären. Ähnlich wie viele andere Bären sind auch die Brillenbären Allesfresser und leben größtenteils als Einzelgänger. Weil sie sehr scheu und selten sind, ist allerdings bisher nur wenig über ihr Verhalten bekannt. “Weil sich die Tiere so rar machen, lassen sie sich nur schwer erforschen und deshalb ist wenig über ihr Verhalten bekannt”, erklärt Wilhelm Osterman von der Universität Göteborg.
Selten und sehr scheu
Hinzu kommt, dass die Brillenbären große Teile ihres einstigen Lebensraums verloren haben. Auf der Flucht vor dem Menschen und dessen Eingriffen in die Naturlandschaften Südamerikas haben sich die Bären in die Höhenlagen der Anden zurückgezogen. Dort nehmen sie eine wichtige Rolle im Ökosystem ein und gelten daher als sogenannte Schirmspezies: Wird der Brillenbär beschützt, hat das positive Folgen für viele andere Tier- und Pflanzenarten. Doch der Bestand der Brillenbären ist stark zurückgegangen. Laut Schätzungen sind nur noch rund 25.000 Tiere übrig. Die Rote Liste stuft sie daher als vom Aussterben gefährdet ein.
Entsprechend groß war die Freude bei Osterman und seinen Kollegen, als sie während einer Forschungsreise in Nordperu von einem bislang unerforschten Gebiet erfuhren, in dem sich mehrere Brillenbären aufhalten sollten. “Das weckte sofort unser Interesse, weil bislang nur wenige Menschen die Gelegenheit hatten, die Tiere in freier Natur zu beobachten”, sagt Julia Osterman von der Universität Halle-Wittenberg. Gemeinsam mit den Bewohnern vor Ort entwickelten die Forschenden einen Plan, um die Tiere in der Region Copal zu beobachten. Bei mehreren Erkundungen konnte das Team die Tiere tatsächlich sichten – bis zu vier an einem Tag
Ein Brillenbär mit “goldenem” Fell
Dabei machten die Wissenschaftler eine überraschende Entdeckung: Sie beobachteten erstmals einen Brillenbären mit fast goldenem Fell. Normalerweise haben die Tiere nur dunkles, fast schwarzes Fell. “Dass wir einen echten goldenen Bären gesehen haben, war etwas Besonderes”, sagt Koautorin Fanny Cornejo von der Stony Brook University. Der neu entdeckte “Goldbär” ähnelt mit seiner hellen Fellfarbe verblüffend der Kinderbuchfigur “Paddington Bär” des britischen Autors Michael Bond. Laut dieser Geschichte ist auch Paddington ein Brillenbär mit goldenem Fell und stammt aus Peru. Warum das Fell des nun in Peru beobachteten Bären golden und nicht schwarz war, können die Forschenden aber nicht erklären. Hierfür wären weitere Untersuchungen notwendig.
Im Laufe ihrer Beobachtungsstudie erstellten die Forschenden auch eine Bestandsaufnahme der Brillenbär-Population in ihrem Untersuchungsgebiet. Dafür wurde jedes neu gesichtete Tier fotografiert und sein Verhalten protokolliert. Anhand der für jedes Tier spezifischen Gesichtsmuster konnten Osterman und sein Team die einzelnen Bären unterscheiden und zählen. Aus ihren Daten ergibt sich, dass in diesem entlegenen Andengebiet mehr als zehn Tiere pro 100 Quadratkilometer leben. Die Dichte der Brillenbären ist damit dort etwa doppelt so hoch wie bislang angenommen. Demnach könnte auch der Bestand dieser seltenen und bedrohten Art in Nordperu möglicherweise größer sein als befürchtet.
Allerdings gibt es trotzdem keinen Grund zur Entwarnung, wie die Forschenden betonen: Die Berechnungen basieren vermutlich auf einem lokalen Hotspot und lassen sich deshalb nicht ohne Weiteres auf ganz Südamerika übertragen. Immerhin scheint aber nun klar zu sein, dass die untersuchte Region für die Brillenbären eine besonders wichtige Rolle spielt. Das könnte gezieltere Schutzmaßnahmen ermöglichen. “Natürlich wäre es ideal, große Areale unter Schutz zu stellen, aber das ist nicht immer realistisch. Kleinere Schutzflächen sind in der Bevölkerung besser vermittelbar und könnten ebenfalls einen großen Nutzen haben”, sagt Wilhelm Osterman.
Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Fachartikel: Ursus, doi: 10.2192/URSUS-D-20-00005.3