Die afrikanischen Savannen sind wahrscheinlich deutlich älter als bisher angenommen: Bisher ging man davon aus, dass bis vor etwa zehn Millionen Jahren weite Teile Afrikas von dichten Wäldern bedeckt waren. Neue Untersuchungen belegen jedoch, dass schon vor 21 Millionen Jahren Savannengräser an verschiedenen Stellen Ostafrikas wuchsen. Damit war die Landschaft, in der sich unsere Vorfahren entwickelten, offener als gedacht. Das wirft ein neues Licht auf die Entwicklung des aufrechten Gangs. Skelettfunde von Hominoiden, die vor 21 Millionen Jahren in Uganda leben, deuten darauf hin, dass diese bereits Anpassungen an eine aufrechte Körperhaltung zeigten.
In den Savannenlandschaften des heutigen Afrikas wachsen vor allem Gräser, die sich gut an sonnig-heiße Bedingungen angepasst haben. Sie nutzen den sogenannten C4-Photosyntheseweg, mit dem sie auch bei Trockenheit effektiv Photosynthese betreiben können. Demgegenüber können sogenannte C3-Pflanzen weniger starkes Sonnenlicht besser ausnutzen und machen bis heute den größten Anteil der Vegetation in mittleren und hohen Breiten aus. C4-Pflanzen haben sich wahrscheinlich mehrfach unabhängig aus C3-Pflanzen entwickelt, wenn die Umweltbedingungen eine Anpassung an starkes Sonnenlicht und Trockenheit erforderten. Bisher ging man allerdings davon aus, dass sie erst vor etwa zehn Millionen Jahren begannen, sich zu verbreiten.
Grasland statt dichter Wald
Ein Team um Daniel Peppe von der Baylor University in Texas hat nun jedoch Belege dafür gefunden, dass bereits vor 21 Millionen Jahren C4-Gräser an verschiedenen Stellen in Ostafrika vorkamen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass schon vor 21 Millionen Jahren C4-Gräser lokal weit verbreitet waren und zu heterogenen Lebensräumen beitrugen, die von Wäldern bis zu leicht bewaldetem, offenem Grasland reichten“, berichtet das Team. Peppe und sein Team analysierten Bodenproben von neun Fundstellen in Kenia und Uganda, die auf ein Alter von 17 bis 21 Millionen Jahren datiert wurden. Darin stießen sie auf zahlreiche Biomassesignaturen von C4-Gräsern.
„Diese Daten verschieben die ältesten Belege für von C4-Gräsern dominierte Lebensräume in Afrika um mehr als zehn Millionen Jahre nach hinten“, so das Autorenteam. Bisher ging man davon aus, dass Ostafrika vor 21 Millionen Jahren von dichten Wäldern bedeckt war. Die schattigen Bedingungen hätten eher C3-Gräser begünstigt. Dass bereits damals C4-Gräser vorkamen, legt nahe, dass die Landschaft offener war als bisher angenommen, sodass viel Sonnenlicht den Boden erreichen konnte und Bäume nur vereinzelt Schatten spendeten. Die Auswertungen zeigen, dass die Gebiete saisonal trocken waren, was das Aufkommen von Pflanzen, die besser an die Trockenheit angepasst waren, begünstigte.
Frühe Hominoide lebten in offener Landschaft
Diese Erkenntnisse werfen auch ein neues Licht auf die Evolution der Säugetiere, insbesondere der Hominoiden, zu denen Affen und Menschen zählen. „Heutige Hominoiden zeichnen sich durch einen aufrechten Rumpf und eine vielseitige Fortbewegung aus“, erklärt ein Team um Laura McLatchy von der University of Michigan. „Bisher wurde vermutet, dass sich diese Merkmale entwickelt haben, um in Wäldern Früchte an dünnen Ästen zu erreichen.“ Die neuen Funde legen nun aber andere Schlussfolgerungen nahe. McLatchy und ihr Team untersuchten Fossilien früher Hominoiden aus einer Fundstätte in Uganda namens Moroto II. Dabei handelt es sich um eine der Fundstellen, für die Peppe und sein Team das Vorkommen von C4-Gräsern vor 21 Millionen Jahren nachgewiesen haben.
Anhand von Knochen- und Zahnfossilien zogen die Forschenden Rückschlüsse auf die Lebensweise und Ernährung von Morotopithecus, einer großen Primatenart, die als einer der ältesten Vertreter der Hominoiden gilt. „Die Erwartung war: Wir haben diesen Affen mit einem aufrechten Rücken. Er muss in Wäldern leben und Früchte essen. Aber als immer mehr Informationen verfügbar wurden, war die erste Überraschung, dass der Affe Blätter fraß. Die zweite Überraschung war, dass er in offenen Landschaften lebte“, so MacLatchy. So zeigt die kantige Form der Backenzähne Anpassungen an faserreiche Nahrung wie Blätter und Gräser. Backenzähne zum Zerkauen von Früchten wären dagegen typischerweise runder. Die Oberschenkel-, Rumpf- und Wirbelknochen ähneln denen von heute lebenden Primaten, die Savannen und andere offene Ökosysteme bewohnen.
Ursprünge des Menschen überdenken
„Wenn man die Fortbewegung, die Ernährung und die Umwelt zusammennimmt, haben wir im Grunde ein neues Modell für die Ursprünge der Affen entdeckt“, sagt MacLatchy. Die Kombination aus Umweltdaten und Skelettanalysen zeigt, dass offene Landschaften, die als ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des aufrechten Ganges gelten, schon mindestens zehn Millionen Jahre früher existierten als gedacht. „Somit müssen wir auch unsere bisherigen Annahmen über die Ursprünge des Menschen neu überdenken“, so MacLatchy. Ihre und Peppes Arbeiten können dabei eine Grundlage für zukünftige Studien bilden.
Quellen: Daniel Peppe (Baylor University, Texas, USA) et al., Science, doi: 10.1126/science.abq2834
Laura MacLatchy (University of Michigan, USA) et al., Science, doi: 10.1126/science.abq2835