„Die kalte Sonne” erstürmte die Bestsellerlisten, nachdem die Medien ihre Breitseiten abgefeuert hatten. Erstaunlich – denn die Autoren stellen infrage, was längst allgemeiner Konsens ist: dass es auf der Erde durch menschliches Handeln rasch wärmer wird. Der Inhalt ist schnell erzählt: Der Weltklimarat IPCC, heißt es, habe die Wirkung der Sonne auf das Klima grob unterschätzt. Veränderungen der Sonnenaktivität seien zum erheblichen Teil für die gemessene globale Erwärmung verantwortlich, die Treibhausgase deshalb halb so schlimm. Und da die Sonnenaktivität in den kommenden Jahrzehnten nachlassen wird, bestünde kein Grund zur Besorgnis. Laut den Autoren soll die globale Mitteltemperatur bis zur Jahrhundertwende allenfalls um ein Grad steigen, selbst wenn der CO2-Ausstoß weiter im aktuellen Tempo zunimmt.
Sich gegen die gesamte Weltelite der Klimaforscher zu stellen, ist mutig. Die Autoren tun denn auch alles, um nicht unseriös zu wirken. Sie zitieren viele Studien, hängen ein 70 Seiten langes Quellenverzeichnis an und lassen einige Kapitel von Professoren schreiben, die mit ihnen auf einer Wellenlänge sind. Aber: Die Argumente sind längst bekannt und durch vielerlei seriöse Studien widerlegt. Vahrenholt und Lüning gießen lediglich – stilistisch gekonnt – die Thesen der Klimaskeptiker neu auf. Warum sie das tun, und warum sie ihr Buch gerade jetzt herausbringen, hat vermutlich politische Gründe. Sie fordern eine andere Klimapolitik. Der Chemiker Vahrenholt und der Geologe Lüning halten die Eile beim Umstieg auf regenerative Energiequellen für völlig unnötig. Man könne die Aufgabe in aller Ruhe angehen, weil die globale Erwärmung gar nicht so schlimm sei.
Sicher spielt die berufliche Position der Autoren dabei eine Rolle: Vahrenholt ist bis zum Juli im Vorstand von RWE-Innology, einer grünen Tochter des Energieriesen, und Lüning ist Afrikaexperte bei RWE Dea. In einem Punkt haben die Querdenker trotzdem recht: Die Klimadebatte trägt inzwischen Züge eines Religionsstreits, Abweichler gelten als Ketzer. Mehr Nüchternheit täte dem Wissenschaftsbetrieb gut. Klaus Jacob
Fritz Vahrenholt, Sebastian Lüning DIE KALTE SONNE Hoffmann und Campe Hamburg 2012, 444 S., € 24,99 ISBN 978–3–455–50250–3 E-Book für € 19,99 ISBN 978–3–455–85029–1