Furchen und Wölbungen im Visier
Unklar war bisher jedoch, ob sich Menschen mit Migräne auch in Bezug auf die Form und Struktur ihres Gehirns von gesunden unterscheiden. Roberta Messina von der San Raffaele Universität in Mailand und ihre Kollegen sind diese Frage nun nachgegangen und haben bei 63 Migränepatienten und bei 18 gesunden Vergleichspersonen gezielt zwei Parameter untersucht: die Dicke der Hirnrinde und die Form der Hirnoberfläche. “Beim Menschen wird die Oberflächenform des Gehirns schon vor der Geburt angelegt”, erklären die Forscher. Wo Furchen und Wölbungen sitzen und wie stark sie ausgeprägt sind, ändert sich daher im Verlauf des Lebens kaum mehr. Anders ist dies mit der Dicke der Hirnrinde: Sie verändert sich im Laufe eines Lebens dynamisch und spiegelt damit beispielsweise wieder, welche Hirnbereiche besonders stark beansprucht werden. Beide Merkmale lassen sich mit Hilfe einer speziellen Form der Magnetresonanztomografie abbilden.
Wie sich zeigte, war die Hirnrinde bei den Migränepatienten in den Frontallappen dünner – Regionen, in denen wichtige Teile der Schmerz-Schaltkreise liegen. Dicker als normal waren dagegen Areale, die für Entscheidungen und für die Verarbeitung von gesehenen Bewegungen zuständig sind, wie die Forscher berichten. Noch deutlichere Unterschiede fanden sie bei der Oberflächenform des Gehirns. Zahlreiche Furchen und Wölbungen waren bei Migränikern entweder stärker oder aber weniger stark ausgeprägt. Diese Abweichungen seien auffallend und sehr weit über verschiedenste Gehirnbereiche verteilt aufgetreten. “Meiner Ansicht nach könnten diese Anomalien dafür mitverantwortlich sein, dass Migränepatienten schmerzanfälliger sind und dass ihr Gehirn auf bestimmte Reize anormal reagiert”, konstatiert Studienleiter Massimo Filippi.
Der Fund von Anomalien sowohl bei angeborenen Merkmalen des Gehirns als auch bei veränderlichen spiegelt nach Ansicht der Forscher den typischen Zwittercharakter der Migräne wider: Sie beruht einerseits auf genetischer Veranlagung, ihre Ausprägung und die Häufigkeit und Schwere von Anfällen werden aber durch äußere Faktoren beeinflusst und geprägt. Die neuen Erkenntnisse könnten längerfristig auch konkrete Vorteile für die betroffenen Patienten bringen: “Genaue Messungen der Hirnrinden- Anomalien könnten dabei helfen, Migräniker besser zu erkennen”, betonen Messina und ihre Kollegen.