Die als Insektenbekämpfungsmittel eingesetzten Neonicotinoide sind für Bienen schädlich – so viel scheint klar. Doch einige Mittel aus dieser Substanzklasse wirken viel toxischer als andere. Warum das so ist, haben nun Forscher aufgeklärt. Demnach sind die Insektizide besonders schädlich, die zusätzlich zu ihrer Giftwirkung auch bestimmte Abwehrenzyme der Bienen hemmen. Dadurch können die Insekten das Gift nicht mehr abbauen, bevor es Schaden anrichtet.
Neonicotinoide sind die weltweit am häufigsten eingesetzten Insektenbekämpfungsmittel. Sie galten
lange als ungefährlich für Bienen, doch inzwischen scheint klar, dass viele dieser Mittel für Honigbienen, Hummeln und weitere nützliche Bestäuberinsekten schädlich sind. Sie stören die Orientierung der Insekten, ihre Partnerfindung und Fortpflanzung und stehen im Verdacht, Mitschuld am weltweiten Bienensterben zu haben. Die drei Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam dürfen deshalb in der EU nur noch eingeschränkt eingesetzt werden.
Nicht alle gleich giftig
Doch es gibt Hinweise darauf, dass offenbar nicht jedes Neonicotinoid gleich toxisch auf die Bienen wirkt. So scheinen Imidacloprid und Thiamethoxam eindeutig schädlich zu sein, während andere Mittel aus dieser Substanzklasse, wie Thiacloprid, deutlich weniger Wirkung zeigen. “Honigbienen sind tausendmal weniger anfällig für Thiacloprid als für Imidacloprid”, erklärt Chris Bass von der University of Exeter. Woran das liegen könnte und welche Rolle Wechselwirkungen mit weiteren Pestiziden wie beispielsweise Fungiziden spielen, hat Bass gemeinsam mit Kollegen – unter anderem von der Firma Bayer – untersucht.
Für ihre Studie gingen die Forscher der Frage nach, welche biochemischen Faktoren die unterschiedliche Wirkung der Mittel auf Bienen und Hummeln bestimmen könnten. Erste Tests ergaben, dass Unterschiede in der Bindung an die Andockstelle in den Insektenzellen nicht dafür verantwortlich sind. Beide getesteten Mittel, Imidacloprid und Thiacloprid, zeigten nahezu die gleiche Affinität zu diesem Rezeptor, wie die Forscher berichten.
Enzyme entscheidend
Doch an anderer Stelle wurden die Wissenschaftler fündig: Blockierten sie bei den Hummeln und Honigbienen eine bestimmte Enzymfamilie, reagierten die Insekten plötzlich auch auf das zuvor kaum toxische Thiacloprid. “Honigbienen wurden 170-mal anfälliger für Thiacloprid, Hummeln um 4,2-fach sensibler”, berichten Bass und seine Kollegen. Nähere Analysen enthüllten den Grund dafür: “Die P450-Unterfamilie von Enzymen enthält potente Abbauhelfer für bestimmte Neonicotinoide”, so die Forscher.
Wie sich zeigte, besitzen Bienen und Hummeln mit diesen Enzymen biochemische Abwehrwaffen, die zumindest gegen einige Neonicotinoide effektiv sind. Die Enzyme sorgen dafür, dass diese Insektizide zersetzt und abgebaut werden, bevor sie im Körper und Nervensystem der Tiere Schaden anrichten können. Weil jedoch Neonicotinoide wie Imidacloprid und Thiamethoxam diese Enzyme hemmen, können sie ihre toxische Wirkung voll entfalten. “Die Identifizierung dieser Schlüsselenzyme liefert uns nun die Chance, bei der Entwicklung neuer Pestizide schon früh testen zu können, ob die Bienen sie abbauen können oder nicht”, sagt Bass.
Die neuen Ergebnisse könnten auch erklären, warum eigentlich für die Bienen unschädliche Fungizide die toxische Wirkung von Neonicotinoiden verstärken können: Offenbar hemmen einige dieser Pilzmittel die Schutzenzyme der Bienen und machen sie so anfälliger für die Insektizide. “Das Wissen um diese Enzyme und ihre Wirkung kann künftig genutzt werden, um solche negativen Wechselwirkungen zu vermeiden”, sagen die Forscher.
Quelle: Cristina Manjon (Bayer, Monheim) et al., Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2018.02.045