Wälder gelten als grüne Lunge der Erde, die klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre ziehen. Ihre fortschreitende Abholzung vor allem in den Tropen ist dementsprechend schlecht für Klima und Planet. Doch selbst wenn abgeholzte Tropenwälder langsam wieder nachwachsen, hilft das dem Klima zunächst wenig, wie eine Studie nun nahelegt. Demnach setzen Tropenwälder, die sich von der Abholzung erholen, mindestens zehn Jahre lang mehr CO2 frei als sie aufnehmen. Das CO2 stammt vor allem aus dem Boden und aus verrottendem Holz.
Die tropischen Regenwälder der Erde binden einen großen Anteil der menschengemachten Treibhausgase, indem sie diese im Zuge der Photosynthese aufnehmen und zum Aufbau holziger Biomasse verwenden. Sie gelten deshalb als Kohlenstoffsenken. Doch die zunehmende Abholzung für die Holzgewinnung oder zur Umwandlung der Flächen in Weide- und Ackerland schmälert diesen klimafreundlichen Effekt. Verlieren wir noch mehr tropische Wälder, könnte das den globalen Klimawandel weiter verstärken.
Messungen zu Boden und vom Turm aus
Immerhin wachsen tropische Wälder nach der Abholzung verhältnismäßig schnell nach. Lange dachte man deshalb, dass auch sich erholende Tropenwälder bereits mehr CO2 binden als freisetzen. Doch diese Annahme muss offenbar revidiert werden, wie eine Studie von Forschern um Maria Mills von der University of Leicester nun nahelegt. Um herauszufinden, ob auch nachwachsende Tropenwälder tatsächlich schon Kohlenstoffsenken sind, untersuchte das Team elf verschiedene Flächen im malaysischen Borneo, die sich in unterschiedlichen Erholungsgraden nach der Abholzung befanden.
Die Wissenschaftler errichteten einen 52 Meter hohen Turm über dem Kronendach des Waldes und maßen dort kontinuierlich, wie viel Kohlenstoff in den Wald hineinströmte und wieviel hinaus. In zusätzlichen Bodenmessungen untersuchten die Forschenden außerdem, wie viel Kohlenstoff aus dem Boden und dem Totholz freigesetzt wird. Mills‘ Kollege Rob Ewers erklärt: „Die Messungen vom Turm aus zeigen uns, ob die Waldfläche eine Kohlenstoffquelle oder -senke ist, und die Bodenüberwachung sagt uns, warum das so ist.“ Die Messungen fanden über einen Zeitraum von sieben Jahren zwischen 2011 und 2017 statt.
Nachgewachsene Wälder sind Netto-Kohlenstoffquellen
Das Ergebnis: Stark abgeholzte und dann wiederbewaldete Flächen emittieren pro Jahr und Hektar ungefähr 5,23 Tonnen Kohlenstoff und das sogar noch mindestens zehn Jahre nach der Abholzung, berichten Mills und ihre Kollegen. Selbst nur mäßig gerodete Waldflächen stoßen laut den Messungen noch etwa 1,75 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr aus. Damit sind diese Flächen in Bezug auf ihre Nettobilanz Kohlenstoffquellen statt wie bislang angenommen Kohlenstoffsenken. „Das bedeutet, dass wir ihre Rolle im globalen Kohlenstoffhaushalt neu bewerten müssen – wir können nicht mehr pauschal davon ausgehen, dass sie Kohlenstoffsenken sind“, erklärt Mills.
Aber woher kommt das ganze CO2? Sollten die nachwachsenden Bäume dieses nicht aus der Atmosphäre binden? Das tun sie auch, berichten die Forschenden, denn in Bezug auf ihre Netto-Primärproduktion unterschieden sich die aufgeforsteten Waldgebiete nicht signifikant von unberührten Wäldern. Doch auf den einst abgeholzten Fläche ist dies nicht genug, um damit den aus anderen Quellen freigesetzten Kohlenstoff zu kompensieren. „Ein großer Teil des Kohlenstoffs, der in sich erholenden Wäldern freigesetzt wird, stammt aus Kollateralschäden – Bäume, die aufgrund von Schäden bei der Abholzung abgestorben sind und verrotten, und aus gestörtem Boden“, erklärt Co-Autorin Terhi Riutta.
Die Erkenntnisse der Studie sollen die abgeholzten Wälder aber nicht als Klimakiller verteufeln, wie sie betont: „Ehemals abgeholzte Wälder sind nach wie vor wertvoll – wir wissen, dass sie eine einzigartige biologische Vielfalt aufweisen – und wenn wir sicherstellen, dass sie durch bessere Abholzungspraktiken keinen zusätzlichen Kohlenstoff freisetzen, wird dies ihre Nachhaltigkeit fördern.“ Ob die in Borneo gewonnenen Erkenntnisse zu den nachgewachsenen Wäldern auch für andere tropische und nicht tropische Wälder gelten, muss nun in weiteren Studien untersucht werden.
Quelle: Imperial College London; Fachartikel: Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2214462120)