Moskitos gehören zu den erfolgreichsten Insekten überhaupt. Sie scheinen nahezu überall zu gedeihen und haben sich im Laufe der Evolution an verschiedenste Wirte angepasst. Aber eine Schwäche haben die unbeliebten Blutsauger: Ihre Larven sind obligat aquatisch. Vermehren können sich die Stechmücken daher nur, wenn sie ihre Eier in Wasser ablegen können, idealerweise in nährstoffreiche, aber stehende Gewässer. Das ist in tropischen Regionen kein Problem, wohl aber in Regionen, in denen es ausgeprägte Trockenzeiten gibt, wie beispielsweise in der Sahelzone. Dort herrscht drei bis sechs Monate lang Dürre. “Trotzdem erscheinen die Moskitos schon wenige Tage nach dem ersten Regen wieder in großen Mengen”, berichten Adama Dao vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Rockville und ihre Kollegen. Wo sie in der Zwischenzeit waren und wie sie diese überstehen, ist seit mehr als hundert Jahren eines der großen Rätsel der der Malariaforschung.
Um den Stechmücken auf die Schliche zu kommen, führten Dao und ihre Kollegen die bisher längste und detaillierteste Erhebung der Moskito-Populationen in dieser Region durch. Für ihre Studie fingen sie in 120 Häusern des Dorfes Thierola in Mali fünf Jahre lang jeden Monat für 14 Tage alle Stechmücken, derer sie habhaft werden konnten. Mehr als 40.000 Moskitos gingen ihnen in dieser Zeit ins Netz. Sie gehörten zu den eng verwandten Moskito-Arten Anopheles gambiae sensu stricto, Anopheles coluzzi und Anopheles arabiensis. Anhand dieser Fänge ermittelten die Forscher, wann welche Mückenart in diesem Saheldorf vorkommt und wie sich die Populationen während der Regen- und Trockenzeit entwickeln.
Strategie 1: Verstecken und schlafen
Die Auswertung dieser Volkszählung unter Stechmücken lieferte gleich mehrere Überraschungen. So war die Mückenart Anopheles coluzzi während der Trockenzeit keineswegs verschwunden, sondern zeigte sogar zwei Peaks, in denen Mücken dieser Art in den Häusern kurzzeitig wieder häufiger gefangen wurden. “Die Dichte dieser Moskito-Art stieg dabei dramatisch um das 10- bis 90-Fache an”, so Dao und ihre Kollegen. Während dieser Peaks konnte aber keine Vermehrung stattgefunden haben, denn freies, stehendes Wasser gab es zu dieser Zeit, Wochen vor der Regenzeit, in Thierola nicht.
Nach Ansicht der Forscher lässt dieses seltsame Populationsmuster nur eine Erklärung zu: Diese Moskitoart nutzt die Taktik der Dormanz. Verkrochen in geschützten Verstecken, fallen die Mücken während der Trockenzeit in eine Art Sommerstarre – einen Ruhezustand, indem alle Körperfunktionen auf ein Minimum reduziert werden. Das ermöglicht es ihnen, weit über ihre normale Lebensspanne hinaus zu überleben und rechtzeitig zu Beginn der Regenzeit wieder aufzuwachen. Die beiden Peaks könnten dadurch erklärbar sein, dass die ruhenden Mücken in dieser Zeit kurz aufwachen und ihre Nährstoffreserven für das Weiterschlafen auffüllen – indem sie mal kurz eine Blutmahlzeit einschieben.
Strategie 2: Auswandern
Doch um es nicht zu einfach zu machen, ist das längst nicht die einzige Strategie, die die Malaria-Mücken in der Sahelzone nutzen. Denn wie die Forscher feststellten, zeigt Anopheles gambiae, die zweite dort häufige Art, eine ganz andere Populationsentwicklung. Diese Mücken bleiben die gesamte Trockenzeit hindurch verschollen und tauchen erst rund zwei Monate nach Beginn der Regenzeit wieder auf. “Das spricht gegen eine lokale Sommerruhe”, so Dao und ihre Kollegen. Stattdessen wandern diese Moskitos offenbar einfach aus, wenn es ihnen zu trocken wird und suchen sich feuchtere Lebensräume. “Das aber bedeutet, dass sie eine Fernwanderung von hunderten von Kilometern machen müssen”, sagen die Forscher. Denn im näheren Umkreis gibt es keine Refugien mit genügend stehenden Gewässern.
Diese Erkenntnisse haben große Bedeutung für die Malaria-Bekämpfung, wie die Forscher betonen. Denn wenn Anopheles coluzzi während der Trockenzeit in Verstecken innerhalb der Häuser überdauert, lassen sie sich dort gezielt bekämpfen. “Ein einziges Spritzen in der späten Trockenzeit könnte dann schon reichen, um eine dramatische Reduktion der Malaria-Übertragungen in der nächsten Regenzeit zu erreichen”, so Dao und ihre Kollegen. Gegen die Moskitoart Anopheles gambiae bringt dies dagegen wenig, denn sie sind dann gar nicht da. Für sie muss daher eine andere Strategie gewählt werden, beispielsweise indem zu Beginn der Regenzeit sterile Männchen ausgesetzt werden. “Unsere neuen Einblicke verändern unser Verständnis der Ökologie dieser afrikanischen Malaria-Vektoren dramatisch”, konstatieren die Forscher.