Sie sorgen für sanftes Licht und ein günstiges Mikroklima: Quarzsteine in der Mojave-Wüste fungieren als kleine Gewächshäuser für Moose, berichten Forscher. Unter den milchig transparenten Schutzschilden gedeihen die Pflänzchen besonders gut, da sie vor der Trockenheit, den Temperaturschwankungen sowie der starken Sonnenstrahlung geschützt sind. Es schimmert aber dennoch genügend Licht durch die Steine, so dass die Moose noch Photosynthese betreiben können, geht aus den Untersuchungen des kleinen Lebensraums hervor.
Pflanzen brauchen Feuchtigkeit, Nährstoffe, günstige Temperaturen und Licht – mangelt es an einem dieser Faktoren, sind Spezialisten gefragt: Einige Pflanzen kommen auch mit sehr schwierigen Bedingungen zurecht und konnten dadurch Extremstandorte besiedeln. Zu diesen besonders widerstandsfähigen Gewächsen gehören auch einige Moosarten: Sie können wiederholtes Austrocknen und Einfrieren überleben. Man findet diese uralten Vertreter der Landpflanzen in den Polregionen sowie in den heißen Trockengebieten der Erde.
Es war bereits bekannt, dass einige Moosarten auch in der Mojave-Wüste im Südwesten der USA vorkommen, berichten Jenna Ekwealor und Kirsten Fisher von der University of California in Berkeley. Dort trotzen die unscheinbaren Gewächse den besonderen Herausforderungen dieser Trockenregion: Neben den seltenen Niederschlägen kommt es zu starken Temperaturschwankungen und auch die Strahlung ist intensiv: „Die Wüste befindet sich in großer Höhe und im Sommer wird es sehr heiß und im Winter sehr kalt. Dazu kommen auch die starken Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht“, sagt Ekwealor.
Grünzeug unter Steinen
Bei ungünstigen Bedingungen verfallen die Moose an ihren „normalen“ Standorten in der offenen Wüste in eine Art Schlaf und bilden einen Sonnenschutz durch dunkle Pigmentierung aus. Sie erwachen und wachsen nur, wenn sich durch die sehr seltenen Niederschläge die Gelegenheit dafür bietet. Entsprechend bescheiden ist ihre Entwicklung: Sie legen nur ein paar Millimeter pro Jahr zu. “In der Wüste ist das Leben für alle Organismen eine Gratwanderung zwischen Leben oder Tod”, sagt Ekwealor. “Das bedeutet allerdings auch, dass kleine Vorteile einen vergleichsweise großen Unterschied ausmachen können“, so die Wissenschaftlerin mit Blick auf den besonderen Lebensraum den sie und ihre Kollegen nun buchstäblich aufgedeckt haben.
Am Anfang der Studie stand dabei ein Zufall, berichtet Ekwealor: “Wir waren zu Fuß in der Mojave unterwegs, um die Populations- und Reproduktionsbiologie von Moosen zu untersuchen und ich hob einen der dort vorkommenden Quarzgesteine hoch, und sagte: Schau dir diesen hübschen Stein an!” Dann fiel der Blick der Forscherinnen, auf die Stelle, die der milchig schimmernde Brocken zuvor bedeckt hatte. „Während alle umliegenden Moose trocken waren und schlummerten, grünte es unter dem Stein“, so Ekwealor. Unter den ebenfalls in der Wüste weit verbreiteten Granitsteinen gibt es die kleinen Oasen hingegen nicht. Es lag somit nahe, dass das Wachstum mit der Lichtdurchlässigkeit des Quarzgesteins verknüpft ist.
Wie die Forscherinnen berichten, war bereits bekannt, dass winzige Cyanobakterien im Schutz von durchscheinenden Gesteinen Photosynthese betreiben. Doch von Vertretern der Pflanzen war so etwas bisher nicht bekannt. So entschlossen sich die Wissenschaftlerinnen, dem Phänomen genauer nachzugehen. Sie untersuchten dazu die Merkmale der Moose sowie die Lichtverhältnisse unter den Steinen. Außerdem platzierten sie Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren unter einigen Exemplaren, um das Mikroklima zu untersuchen.
Günstiges Mikroklima im Schutz der Steine
Ekwealor und Fisher fanden heraus, dass Moose, die im Schutz der leicht transparenten Steine leben, im Gegensatz zu den exponierten Moosen um etwa 60 Prozent schneller wachsen. Es handelt sich dabei um die Arten Syntrichia caninervis und Tortula inermis. “Die umliegenden Moose sind klein und braun – unter den Steinen sind sie hingegen lang und grün”, sagt Ekwealor. “Das liegt daran, dass das Gestein als Puffer für die Extreme des Klimas wirkt”. Denn die Messungen ergaben: Die durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit unter den Brocken ist etwa doppelt so hoch wie im Bereich des exponierten Bodens und die tägliche Temperaturschwankung in der Mikroumgebung war um etwa vier Grad Celsius geringer als an exponierten Stellen.
Was die Untersuchungen der für die Photosynthese erforderlichen Lichtmenge betrifft, zeichnete sich ab: Je nach Größe des Steins scheinen zwischen vier und 0,4 Prozent des einfallenden Lichts durch das milchige Quarzmaterial hindurch. Offenbar reicht den Moosen dies für die Energiegewinnung aus. Es liegt nahe, dass die Steine zusätzlich auch Schutz vor der intensiven UV-Strahlung bieten. Denn die Pflänzchen, die unter dem Quarz wachsen, bilden weniger Pigmente für den Sonnenschutz aus als ihre Artgenossen an exponierten Stellen.
“Letztendlich bieten die Steine den Moosen zwei große Vorteile: Entweder eine Aufwertung ihres normalen Habitats, oder sie können in einem Gebiet leben, in dem sie normalerweise nicht mehr existieren könnten”, sagt Ekwealor. „Wir müssen dabei die Welt aus der Perspektive dieser winzigen Pflanzen sehen”, so die Moosexpertin: “Für sie bildet sich unter einem Quarzstein ein vergleichsweise komfortabler Lebensraum”.
Quelle: University of California – Berkeley, Fachartikel: PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0235928