Winzige Luftakrobaten im Visier: Forscher haben aufgedeckt, was den erstaunlichen Leistungen der kleinsten flugfähigen Käfer der Welt zugrunde liegt. Durch federartige Flügel und eine raffinierte Schlagtechnik meistern die unter einem halben Millimeter großen Insekten die aerodynamischen Herausforderungen beim Fliegen im Miniaturformat. Die Einblicke in das Naturpatent könnten dabei auch technische Entwicklungen inspirieren, sagen die Wissenschaftler.
Besonders klein zu sein, kann bekanntlich entscheidende Vorteile bieten. Aus diesem Grund wurden auch manche Insekten im Lauf der Evolution zu immer noch extremeren Winzlingen. Beim Schrumpfen die Flugfähigkeiten beibehalten zu können, stellte jedoch eine Herausforderung dar, denn bei zunehmender Miniaturisierung kommt es zu problematischen Effekten beim Flügelschlag. Vereinfacht ausgedrückt wird die Luft dabei immer zäher – je kleiner die Flügel, desto mehr verhält sich das Medium wie Sirup. Kleine Fluginsekten müssen dadurch vergleichsweise viel Energie beim Fliegen aufwenden. Dies scheint sich auch in den typischen Flugleistungen widerzuspiegeln: In der Regel sind größere Fluginsekten schneller unterwegs als kleinere.
Geheimnissen flinker Mikroflieger auf der Spur
Doch dabei gibt es überraschende Ausnahmen: In einer früheren Studie haben die Forscher um Alexey Polilov von der Lomonossow-Universität Moskau bereits gezeigt, dass Vertreter der sogenannten Federflügel-Käfer (Ptiliidae) trotz ihres Miniaturformats überraschend flink in der Luft unterwegs sind. Die teilweise unter einem halben Millimeter großen Winzlinge gehören zu den kleinsten bekannten flugfähigen Insekten der Welt und zeichnen sich durch borstenartige Flügelstrukturen aus. Trotz ihrer Größe erreichen sie aber Flugleistungen wie andere Käferarten, die dreimal größer sind als sie. Der Vermutung, dass dies auf die besonderen Strukturen der Flügel der Mini-Käfer oder auf ihren Flugstil zurückzuführen ist, sind die Wissenschaftler nun in ihrer aktuellen Studie nachgegangen.
In ihrem Fokus stand dabei der etwa 0,4 Millimeter große Federflügel-Käfer Paratuposa placentis, der auf Pilzen in Vietnam lebt. Die Forscher untersuchten durch Mikroskopiertechniken die federartigen Flügelstrukturen dieser Winzlinge im Detail. Den Flugstil der Insekten erfassten sie durch Aufnahmen mittels Hochgeschwindigkeits-Kameras aus verschiedenen Perspektiven. Anschließend implementierten sie ihre Ergebnisse in Modelle und 3D-Simulationen, um Rückschlüsse auf die Bedeutung der Merkmale und das Flugverhalten zu ermöglichen.
So wurde zunächst deutlich, welche Rolle die ungewöhnliche Flügelstruktur der Käfer für ihre fliegerische Leistungsfähigkeit spielt. Statt der üblichen Flugmembranen besitzen die Ptiliidae borstenartige Strukturen, die wie Federstrukturen erscheinen. Im Fall von P. placentis konnten die Forscher nun zeigen, dass die einzelnen Borsten weitere Auswüchse aufweisen. Aus Berechnungen der Forscher geht dabei hervor, dass die fächerartigen Gebilde einen deutlichen Gewichtsvorteil gegenüber Membranflügeln bieten. Dadurch können die Mini-Käfer ihre Flügel vergleichsweise leicht durch die zähe Luft bewegen. Trotz der freien Zwischenräume können die Strukturen bei der erhöhten Viskosität im Miniaturmaßstab aber dafür sorgen, dass kaum Luft beim Flügelschlag durch sie dringt, erklären die Forscher.
Leichte Flügel mit besonderem Schlag
Buchstäblich zum Tragen kommt außerdem eine bisher unbekannte Bewegungsweise der Flügel, zeigten die Analysen der Flugaufnahmen. Während andere Fluginsekten ihre Flügel eher schlicht vorwärts und rückwärts schlagen, beschreibt P. placentis in der Luft eine Achterschleife. Sie besteht aus senkrechten Auf- und Abwärtsbewegungen der Flügel. Dabei kommt es fast zu einem Klatschen bei den Schlagumkehrungen über und unterhalb des Körpers. Die Forscher konnten zudem zeigen, dass die Flügeldecken der Käfer ebenfalls eine wichtige Rolle bei dem Flugkonzept spielen. Dabei handelt es sich um die starren Strukturen, unter denen die Flügel in der Ruhe zusammengefaltet liegen. Im Flug bewegen sich diese Gebilde derart, dass sie das Schlag-System der Flügel ausgleichen und dadurch den Flug stabilisieren. Unterm Strich geht aus den aerodynamischen Simulationen der Forscher hervor, dass dieses Gesamtsystem die besonderen Flugleistungen der Käfer in ihrem Mikrokosmos ermöglicht.
Das Team plant nun, auch die Flug-Konzepte weiterer winziger Insekten mit ihren Methoden zu untersuchen. Sie wollen dabei herausfinden, inwieweit noch andere Lösungen für die aerodynamischen Herausforderungen im Mikromaßstab im Laufe der Evolution entstanden sind. Wie das Team hervorhebt, können die Ergebnisse dabei nicht nur für die Biologie eine Bedeutung haben. Die Prinzipien des Schlagflugs von Insekten werden bereits von Technikern bei der Entwicklung von kleinen Fluggeräten genutzt. Einblicke in die Fähigkeiten von Mikroinsekten könnten somit möglicherweise weitere Miniaturisierungen ermöglichen.
Quelle: Lomonosov Moscow State University, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-021-04303-7