Steht die Seekuh eher den Robben oder den Elefanten nahe? Oder wer ist der nächste Verwandte des Schleimpilzes X? Nicht nur bei Fragen wie diesen kann ein Baum des Lebens hilfreich sein: Über die Beziehungen der Arten untereinander Bescheid zu wissen, kann letztlich die Entwicklung von Medikamenten voranbringen, Erträge von Nutzpflanzen steigern oder die Entstehungsgeschichte von Krankheiten aufdecken, betonen die Forscher um Karen Cranston von der Duke University in Durham (USA). “Bei unserem Open Tree of Life handelt es sich nun um den ersten ernsthaften Versuch, die Punkte zu verbinden und sie zu einer Einheit zusammenzuführen”, sagt Cranston.
Er soll weiter wachsen!
Obwohl bereits ein Megaprojekt, repräsentiert der nun veröffentlichte Stammbaum ein Provisorium – „eine Version 1.0″, wie Cranston erklärt. Denn der Baum soll jetzt kräftig weiter wachsen: Bereits vorhandene wissenschaftliche Daten müssen noch in das System implementiert werden und viele Arten warten noch auf ihre Erforschung, betonen die Wissenschaftler aus insgesamt 11 US-amerikanischen Institutionen. “Dieser erste Baum des Lebens zeigt, was wir über Beziehungen wissen, verdeutlicht aber auch, was wir alles noch nicht wissen”, sagt Douglas Soltis von der University of Florida in Gainesville.
Bei dem Open Tree of Life handelt es sich eigentlich um einen Superbaum aus vielen kleinen: Um ihn zu erstellen, haben die Forscher etwa 500 kleinere Bäume und Daten aus bereits veröffentlichten Studien vereint. Diese Untersuchungen beschäftigten sich mit vielen unterschiedlichen Lebewesen – von urtümlichen Bakterien über Dinosaurier bis hin zu Vertretern der Gattung Homo. Das Resultat des Superbaums ähnelt nun in der Form des zirkularen Verzweigungsdiagramms einer seltsamen Kreuzung aus einem Spinnenerz und einer U-Bahn-Karte.
Forscher sollen ihre Daten selbst hinzufügen
Die Forscher betonen, dass man einen Superbaum des Lebens nicht vergleichsweise simpel per Mausklick aus einem Haufen digitaler Daten sprießen lassen kann. Denn die Mehrheit von Studien präsentieren ihre Daten als PDF- oder Bild-Dateien und nicht in digitaler Form, die sich einfach integrieren lässt. “Es klafft eine ziemlich große Lücke zwischen dem, was Wissenschaftler über die Verwandtschaftsverhältnisse von Lebewesen wissen und was digital zur Verfügung steht”, sagt Cranston.
Um die Lücken schneller zu füllen, arbeitet das Team nun an der Entwicklung einer Software, die es Forschern ermöglichen wird, sich in das System des Open Tree of Life einzuloggen und Daten zu aktualisieren. “Das Projekt ist bei weitem nicht abgeschlossen”, so Cranston. “Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Forscher nun selbst ihre bereits veröffentlichten und neue Daten einbauen, um den Baum zu verbessern. Er soll damit wie eine Art Wikipedia der Geschichte des Lebens sein, an dem Forscher nun für lange Zeit basteln können.
Der Baum des Lebens ist nun unter https://tree.opentreeoflife.org/ frei zugänglich.