Die ersten Menschen, die auch als Erwachsene gut Milch vertragen konnten, lebten vor etwa 5000 Jahren im Ural: Vor 4800 bis 6600 Jahren trat dort bei nomadischen Hirten zum ersten Mal eine Genmutation auf, die es Erwachsenen ermöglichte, Milch zu verdauen. Das ergab die Untersuchung eines Forscherteams um Leena Peltonen von der Universität von Helsinki. Die Forscher präsentierten ihre Ergebnisse auf dem Jahrestreffen der Amerikanischen Gesellschaft für Humangenetik in Toronto.
Die Wissenschaftler untersuchten 1611 DNA-Proben von 37 Völkern auf vier Kontinenten. Die Untersuchung ergab, dass die Mutation vermutlich zuerst bei zwischen dem Uralgebirge und der Wolga lebenden Völkern auftrat. Die genetische Veränderung ging wahrscheinlich aus einem Vorläufer hervor, der sich bei der Vermischung dieser Völker mit Stämmen aus den Asiatischen Steppen entwickelte, vermuten die Forscher. Laut Peltonen entstand die Mutation eher zufällig. Da die Nomaden allerdings Milchvieh hielten, war sie von Vorteil und verbreitete sich.
Fast alle Säuglinge produzieren Lactase, ein Enzym, mit dem sie Milchzucker spalten und so Milch gut vertragen können. Allerdings schaltet sich das zur Herstellung dieses Enzyms nötige Gen bei mehr als der Hälfte der Menschen nach der Kindheit ab: Sie entwickeln eine Lactose-Intoleranz und vertragen daher keine Milch mehr. Die Mutation verhindert vermutlich dieses Abschalten des Gens. Peltonen und ihre Kollegen hatten dies bereits vor zwei Jahren entdeckt und konnten nun Zeit und Ort dieser Genveränderung bestimmen.
Ihre Ergebnisse gelten als ein weiteres Indiz für die umstrittene These, dass die indogermanischen Sprachen mit den nomadischen Hirten, dem so genannten Kurganvolk, vor 4500 bis 3500 Jahren nach Europa gelangten und nicht durch anatolische Bauern verbreitet wurden. Die indogermanischen Sprachen haben sich zu der größten modernen Sprachenfamilie entwickelt.
ddp/bdw – Eva Hörschgen