Mikroplastik findet sich längst überall in der Umwelt – im Ozean und in Gewässern, im Boden und in der Luft. Doch welche Folgen diese Kontamination für Lebewesen hat, ist bislang kaum bekannt. Jetzt liefert eine Studie bei Seevögeln erste Antworten. Sie zeigt, dass die Aufnahme von Mikroplastik die Darmflora der Tiere verändert – hilfreiche, gesunde Bakterien werden weniger, Krankheitserreger nehmen zu. Diese Veränderungen treten demnach schon bei den in der Umwelt gängigen Mikroplastik-Konzentrationen auf.
Die Verschmutzung der Umwelt durch Mikroplastik – Kunststoffpartikel kleiner als fünf Millimeter – ist ein anhaltendes und sich verschärfendes Problem. Dieses Plastik – oft durch den Zerfall größerer Kunststoffteile entstanden – taucht inzwischen überall auf. Auch in der Tiefsee und in abgelegenen Gegenden wie der Antarktis wurde Mikroplastik gefunden. Die winzigen Kunststoffpartikel finden sich zudem schon in der Nahrungskette und selbst in unseren Geweben und in unserm Kot lässt sich Mikroplastik nachweisen.
Blick in den Darm zweier Seevogelarten
Doch welche Folgen hat es, wenn wir oder andere Tiere die kleinen Kunststoffpartikel verschlucken? Aus Laborversuchen gibt es erste Hinweise darauf, dass Mikroplastik bestimmter Größen und Kunststoffarten zellschädigend und möglicherweise auch Entzündungen auslösend wirken kann. Ob dies aber auch im Alltag passiert und welche Folgen die Mikroplastik-Kontamination beispielsweise für Wildtiere hat, ist bislang ungeklärt. „Zurzeit liegen wenige systematische Beweise dafür vor, dass bereits die vorhandenen Mengen an Mikroplastik in der Umwelt sich negativ auf die Gesundheit von betroffenen Arten auswirken“, erklärt die Erst-Autorin Gloria Fackelmann von der Universität Ulm.
Um mehr darüber zu erfahren, haben Fackelmann und ihre Kollegen den Darminhalt und die im Darm lebenden Bakteriengemeinschaften von zwei weit verbreiteten Seevogelarten, dem Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) und dem Corysturmtaucher (Calonectris borealis), untersucht. Beide Arten leben vor allem in Hochseegebieten und ernähren sich von marinen Weichtieren, Krebsen und Fischen. Außerdem ziehen beide Arten im Jahresverlauf tausende von Kilometern weit. Für die Studie untersuchten die Forschenden die Mikroplastikmenge im Darm von 85 Vögeln und analysierten ihr Darmmikrobiom mittels Hochdurchsatz-Sequenzierung.
Deutliche Verschiebung der Bakterienarten
Die Analysen ergaben: Bei den Seevögeln, die mehr Mikroplastik im Magen-Darm-Trakt aufwiesen, zeigten sich deutliche Veränderungen der Darmflora. Je mehr Mikroplastik im Verdauungstrakt der Vögel präsent war, desto stärker war die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft gegenüber den normalen Verhältnissen verschoben. Dabei nahm der Anteil der Krankheitserreger, sowie der antibiotikaresistenten und plastikabbauenden Mikroben zu, die Menge der Kommensalen – nützlichen Bakterien dagegen ab. Letztere tragen entscheidend zum Nährstoff-Stoffwechsel und einer gesunden Verdauung bei, spielen aber auch eine wichtige Rolle für das Immunsystem.
“Diese Ergebnisse bestätigen, dass auch schon die in der Umwelt vorhandene Mikroplastik-Belastung das Darm-Mikrobiom von Seevögeln beeinträchtigt”, berichten Fackelmann und ihre Kollegen. Ihrer Einschätzung nach könnten die festgestellten Veränderungen bei den Tieren gesundheitsrelevante Prozesse beeinträchtigen und sogar Erkrankungen verursachen. Langfristig könnte dies auch artübergreifende Folgen haben, weil eine Anreicherung der Schadstoffe über die Nahrungskette zu erwarten ist. Warum das Mikroplastik die Darmflora verändert, ist noch nicht geklärt. „Neben Folgen von mechanischen Verletzungen könnten dafür mit dem Mikroplastik verschleppte Pathogene oder chemische Störungen durch die Plastikpolymere infrage kommen“, sagt Fackelmanns Kollegin Simone Sommer.
Trotz einiger noch offener Fragen sehen die Forschenden in ihren Resultaten aber ein klares Alarmzeichen: „Da auch der Mensch aus der Umwelt und durch die Nahrung Mikroplastik aufnimmt, sollten diese Untersuchungen als Warnzeichen auch für uns Menschen gelten”, betont das Forschungsteam.
Quelle: Universität Ulm; Fachartikel: Nature Ecology & Evolution, doi: 10.1038/s41559-023-02013-z