Mikroplastik findet sich inzwischen überall in der Meeresumwelt, doch über die Folgen dieser Verschmutzung ist bisher nur wenig bekannt. Jetzt belegt ein Experiment: Die Präsenz von Plastikpartikeln aus Polyethylen im Meerwasser lässt Miesmuscheln ihren Halt verlieren. Sie bilden weniger Byssusfäden aus und haften dadurch nur noch halb so fest am Untergrund. Gleichzeitig verändert das Mikroplastik auch den Protein-Stoffwechsel der Muscheln, wie die Forscher herausfanden.
Austern, Miesmuscheln und Co wachsen mit Vorliebe in der turbulenten Gezeitenzone des Meeres. Doch dank ihrer extrem stabilen und haftstarken Byssusfäden verlieren sie selbst bei starken Strömungen und heftiger Brandung nicht den Halt. Das allerdings könnte sich künftig ändern. Bereits vor einigen Jahren haben Wissenschaftler festgestellt, dass die zunehmende Versauerung und Erwärmung der Meere das Aushärten der Muschelfäden beeinträchtigen.
Weniger Fäden, weniger Halt
Jetzt kommt eine weitere Gefahr für die Muscheln dazu, wie Dannielle Green von der Anglia Ruskin University in Nordirland und ihr Team herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten die Forscher Miesmuscheln in speziellen Mesokosmen vor der nordirischen Küste gehalten. In diesen halbdurchlässigen Testbehältern setzten sie die Muscheln Mikroplastikpartikeln aus Polyethylen und Polyactiden aus. Letzteres ist ein biologisch abbaubarer Kunststoff aus Milchsäureketten. Nach 52 Tagen untersuchten die Wissenschaftler die Byssusfäden und entnahmen Proben vom Blut und Geweben der Tiere.
Das Ergebnis: “Wiederholte Dosen des Mikroplastiks während dieser 52 Tage verringerte die Anzahl der Byssusfäden bei den Muscheln”, berichten Green und ihre Kollegen. Zudem ergaben Tests, dass dadurch die Haftung der Miesmuscheln am Untergrund deutlich nachließ: Es war verglichen mit plastikfrei gehaltenen Kontrollmuscheln nur halb so viel Kraft nötig, um die Muscheln vom Untergrund abzureißen.
“Die Haftung ist für Muscheln lebenswichtig”, sagt Green. “Die Byssusfäden helfen den Muscheln, Kolonien zu bilden und so ihren Fortpflanzungserfolg zu erhöhen und sich besser vor Fressfeinden zu schützen. Eine Verringerung dieser Fäden könnte daher zu kaskadierenden Effekten auf die Biodiversität, aber auch zu sinkenden Erträgen in der Aquakultur führen.”
Protein-Stoffwechsel gestört
Die physiologischen Analysen ergaben zudem, dass vor allem das Polyethylen-Mikroplastik auch den Stoffwechsel der Muscheln beeinträchtigte: Die Proteinzusammensetzung der Hämolymphe war verändert. “Viele der betroffenen Proteine sind an lebenswichtigen biologischen Prozessen beteiligt, darunter der Immunregulation, der Entgiftung, dem Stoffwechsel und der Entwicklung von Körperstrukturen”, erklären Green und ihre Kollegen.
Beim bioabbaubaren Polyactid-Mikroplastik fanden die Wissenschaftler ebenfalls Veränderungen im Proteinstoffwechsel, wenn auch in geringerem Maße. “Unsere Forschung zeigt damit, dass selbst biologisch abbaubares Mikroplastik die Gesundheit der Muscheln beeinflussen kann“, sagt Green. Dies sei damit ein weiterer Grund, die Mikroplastik-Verschmutzung der Meere aufzuhalten. “Besseres Recycling und eine verringerte Nutzung solcher Materialien kann eine wichtige Rolle dabei spielen, unsere Meeresumwelt zu schützen.”
Quelle: Anglia Ruskin University, Fachartikel: Environmental Pollution, doi: 10.1016/j.envpol.2018.12.017