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Mikroben-Fund unter der „irdischen Mars-Wüste“

Mikro- & Astrobiologie

Mikroben-Fund unter der „irdischen Mars-Wüste“
Um dem Leben im Untergrund auf die Spur zu kommen, haben die Forschenden eine Profilgrube im Boden der Atacama-Wüste angelegt. © L. Horstmann, GFZ

Die lebensfeindlichste Wüste der Welt hat es in sich: Im Untergrund der chilenischen Atacama haben Forschende durch eine neuartige Analysemethode eine bisher unbekannte Mikroben-Gemeinschaft entdeckt. Demnach existieren dort ab einer Tiefe von etwa zwei Metern verschiedene Bakterienarten, die sich vermutlich auf spezielle Weise ernähren. Da der Mars solche Bedingungen ebenfalls bieten könnte, hat die Entdeckung auch Bedeutung für die Suche nach außerirdischen Lebensformen, sagen die Wissenschaftler.

Sie ist extrem trocken, salzig und intensiver Sonnenstrahlung ausgesetzt: Die chilenische Atacama-Wüste ist einer der lebensfeindlichsten Orte unseres Planeten und ähnelt dabei in interessanter Weise der Marsoberfläche. Bereits seit einiger Zeit gehen Forschende deshalb der Frage nach, inwieweit bestimmte Mikroorganismen solchen Extrembedingungen trotzen können. Frühere Untersuchungen haben bereits bis in eine Tiefe von einem Meter Spuren von Bakterien nachgewiesen, die unter den Bedingungen der Atacama offenbar noch überleben können. Nun sind die Forschenden um Lucas Horstmann vom Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) der Frage nachgegangen, ob auch in tieferen Bodenschichten noch spezialisierte Mikroben vorkommen.

Eine Profilgrube liefert Einblicke

Das Team hat dazu in einem zentralen Bereich der Wüste eine 4,2 Meter tiefe Profilgrube ausgehoben. In bestimmten Abständen entnahmen sie dabei Bodenproben, die anschließend in GFZ-Labore gebracht und analysiert wurden. Zum Nachweis und der Charakterisierung der möglichen Lebensformen suchten die Forschenden nach genetischem Material in den Proben. Dabei gab es allerdings ein Problem: DNA kann sehr lange erhalten bleiben. Bei gefundenem Erbgut kann es sich somit auch um uraltes Material handeln, das einst in den Boden gelangt ist und somit nicht von aktuell existierenden Organismen stammt. Deshalb hat das Team eine neue Technik verwendet, die aus Probematerial ausschließlich DNA herausfiltern kann, die aus intakten und potenziell noch aktiven Zellen stammt. Dabei kommen bestimmten Substanzen und Zentrifugationen zum Einsatz, um die Zellgebilde von freier DNA zu trennen. Anschließend kann dann gezielt das Erbgut aus ihnen gewonnen und analysiert werden.

Wie das Team berichtet, stellten sie bei ihren Untersuchungen nun eine spezielle Schichtung der mikrobiellen Lebenswelt im Untergrund der Atacama fest. Dabei bestätigte sich zunächst der Lebensnachweis in der oberen Schicht: Die Forschenden fanden dort vorwiegend intrazelluläre DNA von Bakterien aus der Gruppe der Firmicutes. Ab einer Tiefe von 80 Zentimetern zeichnete sich dann allerdings eine Abnahme der Biomasse ab. Sie korrelierte dabei mit dem zunehmenden Salzgehalt und der Wasserknappheit im Boden. Die mikrobielle Besiedelung kommt dann im Bereich von etwa zwei Meter Tiefe ganz zum Erliegen. Doch noch tiefer wurden die Forschenden dann überraschenderweise wieder fündig: Unterhalb von zwei Metern beginnt eine Materialschicht mit besonderen Merkmalen, in der eine Mikroben-Gemeinschaft existiert, die wahrscheinlich vollständig von der Oberfläche isoliert lebt. Sie ist sogar noch vielfältiger als diejenige in den höhergelegenen Bodenbereichen, zeigten die Untersuchungen der intrazellulären DNA.

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Skurrile Lebenswelt

Diese Gesellschaft besteht demnach hauptsächlich aus verschiedenen Bakterienarten, die zu den Actinobacteriota gehören. Diese Gruppe ist bereits für die Besiedlung von speziellen Substraten bekannt. Konkret besitzen die entdeckten Organismen genetische Ähnlichkeiten zu Arten, die Wasserstoff als Energiequelle verwenden können, um CO₂ als Kohlenstoffquelle für ihr Wachstum zu nutzen. „Diese Chemolithoautotrophie genannte Art des Stoffwechsels wurde bereits als wichtig für Böden vorgeschlagen, in denen organisches Material als Kohlenstoffquelle extrem begrenzt ist. Dieser Stoffwechseltyp könnte auch für die isolierten unterirdischen Nischen wesentlich sein, die in dieser Studie untersucht wurden“, sagt Horstmann. Die Forschenden berichten außerdem über einen weiteren interessanten Aspekt: Demnach könnte ein besonderes Merkmal der Bodenschicht ab zwei Meter Tiefe die Existenz dieser Mikroben am Fundort ermöglichen: der Gips-Gehalt des Materials. Denn diese Substanz könnte durch bestimmte Abbauprozesse Wasser freisetzten, erklären die Forschenden.

Irdische und astrobiologische Bedeutung

Ihnen zufolge haben die Entdeckungen nun eine erhebliche Bedeutung für das Verständnis der irdischen Existenzgrenzen mikrobiellen Lebens – und darüber hinaus. „Die Entdeckung dieser unterirdischen Gemeinschaft, die in Schwemmfächer-Sedimenten unterhalb von zwei Meter Tiefe gedeiht und dabei eine erstaunliche Vielfalt und ökologische Stabilität aufweist, stellt unser derzeitiges Verständnis von Wüstenökosystemen in Frage“, so Horstmann. Was die astrobiologische Bedeutung der Studie betrifft, schreiben die Forschenden: „Das Vorhandensein von Gipsablagerungen auf dem Mars, die denen in den Schwemmfächersedimenten ähneln, ist für die Astrobiologie von großem Interesse. Die Assoziation dieser unterirdischen Lebensgemeinschaften mit gipshaltigen Substraten in der Atacama könnte ein weiterer Hinweis darauf sein, dass Gipsablagerungen auf dem Mars nicht nur auf die Möglichkeit von flüssigem Wasser in der Vergangenheit hinweisen. Sie könnten auch als bewohnbare Nische für mikrobielles Leben in der Gegenwart dienen“, schreiben Horstmann und seine Kollegen.

Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), Fachartikel: PNAS Nexus, doi: 10.1093/pnasnexus/pgae123

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