Der Mensch hinterlässt etwa durch den Ackerbau, Waldrodungen oder neue Städte seinen „Fußabdruck“ auf den Landflächen der Erde. Diese globalen Nutzungsänderungen umfassen mittlerweile rund 32 Prozent der Landfläche, wie eine neue Kartierung nun enthüllt. Damit sind die Veränderungen etwa viermal so groß wie bisher angenommen. Die globalen Waldflächen wurden dabei besonders stark reduziert, während Äcker heute deutlich häufiger vorkommen.
Ob Waldrodungen, Stadtwachstum oder intensivere Landwirtschaft – der Mensch verändert die Natur der irdischen Landflächen ständig. Mit enormen Folgen: So beschleunigt etwa eine intensive Landwirtschaft die Bodenerosion, so dass fruchtbare Erde verloren geht, die landwirtschaftliche Produktivität verringert und die globale Ernährung gefährdet wird. Zudem geben die Böden von Äckern im Gegensatz zu Waldböden mehr Kohlendioxid an die Atmosphäre ab und gleichzeitig sinkt der Gehalt des in ihnen gespeicherten Kohlenstoffs, sodass der Klimawandel beschleunigt wird. Zusätzlich verändert die Landnutzung viele Lebensräume bereits so, dass die Artenvielfalt der Ökosysteme bedroht ist.
Wie groß sind die Landnutzungsveränderungen?
Aber wie groß sind die globalen Landnutzungsveränderungen aktuell? Das haben Wissenschaftler um Karina Winkler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nun genau untersucht. Bislang waren Studien zu diesen Veränderungen meist räumlich oder zeitlich eingeschränkt. Deshalb kombinierte das Forscherteam nun die Ergebnisse von Landnutzungsstatistiken mit hochaufgelösten Satellitendaten, wobei Änderungen von Stadtflächen, Acker- und Weideland, Wald, bewirtschaftetem Gras-Strauchland sowie von Flächen mit spärlicher und keiner Vegetation betrachtet wurden. „Die Schwierigkeit bei unserer Arbeit liegt vor allem im Umgang mit sehr unterschiedlichen Datensätzen“, erläutert Winkler. Sie müssen erst aufwändig vereinheitlicht werden. Den Forschern gelang dies und sie erstellten aus dem Muster der globalen Landnutzungsveränderungen zwischen 1960 und 2019 einen hoch aufgelösten Kartensatz, den „Historic Land Dynamics Assessment +“ (HILDA +).
Das Ergebnis: Die Landnutzungsänderungen sind offenbar größer als bisher angenommen. Der neuen Kartierung zufolge waren in den letzten rund 60 Jahren etwa rund 32 Prozent der globalen Landfläche betroffen – rund 43 Millionen Quadratkilometer. „Wir schätzen, dass der Landnutzungswandel in nur sechs Jahrzehnten fast ein Drittel der globalen Landfläche betroffen hat und damit etwa viermal so groß ist wie die bisher geschätzte Ausdehnung von langfristigen Landveränderungen“, berichten die Wissenschaftler. Damit wird seit 1960 jedes Jahr durchschnittlich eine Landfläche von etwa der doppelten Größe Deutschlands verändert.
In Europa weniger, in Asien mehr
Neu sind vor allem die deutlichen Veränderungen von Wald- und Ackerflächen. „Wir stellen einen globalen Nettoverlust an Waldfläche von 0,8 Millionen Quadratkilometern, aber eine Ausdehnung der globalen Landwirtschaft von einer beziehungsweise 0,9 Millionen Quadratkilometern fest“, erklärt das Team. Dabei zeigen die Landnutzungsänderungen aber nicht überall auf der Welt die gleichen Muster. So konnten die Forscher feststellen, dass vor allem zwischen Regionen im Norden und Süden die Landnutzungsänderungen unterschiedlich ausfallen. Demnach breiteten sich in den letzten Jahren im globalen Norden, zum Beispiel in Europa, den USA oder in Russland, die Wälder aus und die Ackerflächen wurden reduziert. Im globalen Süden, wie unter anderem in Brasilien oder Indonesien, verringerten sich hingegen die Waldflächen und die Acker- sowie Weideflächen wurden größer.
Zudem hat sich die Geschwindigkeit von Landnutzungsänderungen im Laufe der Zeit verändert, so Winkler und ihre Kollegen. Es zeigte sich, dass für den Zeitraum von 1960 bis etwa 2005 eine Phase des beschleunigten und von etwa 2006 bis 2019 eine Phase des verlangsamten Landnutzungswandels stattfand. Die erste Phase war auf der Südhalbkugel wie in Südamerika, Afrika und Südostasien besonders ausgeprägt, wo vor allem in den 2000er Jahren die Produktion und der Export von Nutzpflanzen zunahmen. „Die Trend-Umkehr könnte in Zusammenhang mit einer zunehmenden Bedeutung des globalen Handels für die landwirtschaftliche Produktion und mit der Weltwirtschaftskrise 2007 und 2008 stehen“, erklärt Winkler. Denn damals fanden Länder wie Argentinien oder Indonesien, die sich vor der Krise auf die Produktion von Rohstoffen für den Weltmarkt konzentrierten, keine Abnehmer mehr für ihre Waren und reduzierten die landwirtschaftliche Produktion und damit auch die landwirtschaftlichen Flächen. Neben dem Handel könnten aber auch durch den Klimawandel ausgelöste Extremereignisse, Dürren und Überschwemmungen ein Treiber für die zweite Phase gewesen sein, ergänzen die Forscher.
Grundlage für Umweltschutzprogramme
Die neuen Landnutzungsdaten könnten in Zukunft eine verbesserte Datengrundlage für Klima- und Erdsystemmodelle sein – und so auch einen Beitrag zu politischen Debatten um Handlungsstrategien für eine nachhaltige Landnutzung in der Zukunft leisten. „Um die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, müssen wir das Ausmaß von Landnutzungsänderungen und ihren Beitrag zu Klimawandel, Biodiversität und Nahrungsmittelproduktion besser verstehen“, so Winkler. „Denn auch die Landnutzung spielt eine entscheidende Rolle zum Erreichen der Klimaziele unter dem Pariser Abkommen.“
Quelle: Karlsruher Institut für Technologie, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-021-22702-2