Überraschender Ansatz: Forscher haben das Verhalten von Königspinguinen in Brutkolonien physikalisch modelliert. Die Anordnung der Tiere ähnelt demnach der Struktur von Molekülen in erstarrtem Glas. Vermutlich ist dieses Konzept der Pinguine ideal, damit sich Partner wiederfinden können und die Kolonie flexibel auf äußere Störungen reagieren kann, sagen die Forscher.
Königspinguine (Aptenodytes patagonicus) brüten auf den subantarktischen Inseln, wo sie sich im Sommer zu riesigen Kolonien mit mehreren hunderttausend Vögeln zusammenfinden. Nester gibt es in diesen Gemeinschaften nicht: Die Pärchen hüten ihr Ei abwechselnd in einer Bauchfalte und bewahren es so vor der Kälte der Felsen in ihrer Heimat. Obwohl es kein Nest gibt, beansprucht jedes Paar allerdings eine bestimmte Stelle in der Kolonie und verteidigt sie aggressiv gegen andere Pinguine. Die „Pinguin-Stadt“ besitzt dadurch ein erstaunlich einheitliches Grundsystem: Sie besteht aus gleichmäßig kreisförmigen Einheiten mit jeweils einem Pinguin in der Mitte.
„Teilchen“ mit bestimmtem Abstand zueinander
Diese Anordnung brachte die Forscher um Richard Gerum von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) auf eine Idee: Als sie Standorte von mehreren tausend Brutpaaren mit Hilfe von fotografischen Aufnahmen aus einem Helikopter kartierten, fiel ihnen auf, dass die Struktur der Brutplätze Partikeln in Flüssigkeiten ähnelt. Es handelt sich um ein System aus gegenseitiger Anziehung, aber auch gegenseitiger Abstoßung bei zunehmendem Kontakt. Ein solches Wechselspiel von Kräften zwischen Teilchen wurde erstmals 1924 vom britischen Physiker John Lennard-Jones beschrieben.
So nutzten die Forscher dieses physikalische Modell, um die Gesetzmäßigkeiten in den Brutkolonien zu modellieren. Wie sie erklären, repräsentieren die anziehenden Kräfte dabei die Neigung der Pinguine zur Bildung einer dichten Brutkolonie. Der abstoßende Aspekt des physikalischen Modells bildet wiederum der „Pick-Radius“, mit dem die Pinguine ihren jeweiligen Brutplatz gegenüber den Nachbarn verteidigen.
Im System finden sich die Partner
Wie die Forscher berichten, lässt sich das System der Brutkolonien erstaunlich gut auf diese Weise modellieren. Konkret ähnelt die Struktur ihnen zufolge der eines erstarrten Glases, das trotz festem Zustand auch noch flüssige Merkmale besitzt: Es gibt keine gitterförmige Anordnung wie in einem Kristall, dennoch kann die Struktur ohne nennenswerte Veränderungen lange konstant bleiben. Dabei handelt es sich um einen sehr wichtigen Aspekt für die Pinguine: Durch die gleichbleibende Struktur können die Paare einander in der weitläufigen Kolonie wiederfinden, um sich beim Brüten abzuwechseln.
Den Forschern zufolge scheint der glasartige Zustand des Pinguin-Systems ein Optimum an Dichte und Flexibilität zu bietet. Eine weitere Verdichtung beziehungsweise eine gitterförmige Anordnung der Brutpaare wie in einem Kristall hätte hingegen zur Folge, dass sich lokale Störungen wie ein Riss durch die gesamte Kolonie ausbreiten könnten und nur schwer zu reparieren wären. Durch die stattdessen flexible, aber dennoch strukturierte Anordnung der Brutkolonie reagiert das System nicht so empfindlich auf Störungen: Wenn etwa Robben auf der Suche nach einem sonnigen Rastplatz in die Kolonie eindringen, verflüssigt sich die Struktur lokal und findet dann erneut ihr Gleichgewicht. Die Störung kann auf diese Weise schnell „geheilt“ werden, ohne dass die gesamte Kolonie beunruhigt wird, erklärten die Forscher.
Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Journal of Physics D: Applied Physics, doi: 10.1088/1361-6463/aab46b.