Kuckuck ist nicht gleich Kuckuck: Die Familie der Kuckucksvögel (Cuculiformes) umfasst etwa 140 Arten, die sich weltweit viele unterschiedliche Lebensräume erobert haben und sich in Aussehen und Lebensweise teils deutlich unterscheiden. Nur 50 Arten zeigen das Verhalten, für das diese Vogelfamilie berüchtigt ist: den Brut-Parasitismus. Im Prinzip zeigt auch der Häherkuckuck ( Clamator glandarius), der in Südeuropa und Nordafrika verbreitet ist, dieses Verhalten. Im Gegensatz zu seinem prominenten mitteleuropäischen Verwandten, dem Cuculus canorus, legt der Häherkuckuck seine Eier aber nur in die Nester von Rabenvögeln. Männchen und Weibchen agieren dabei als Komplizen: Das Männchen lenkt die Wirtsvogeleltern ab, damit sich das Weibchen unbemerkt über das Nest hermachen kann. Sie wirft ein Ei heraus und legt fix ihr eigenes zum Rest des Geleges. Anders als beim Kuckuck befördert das Küken des Häherkuckucks den Nachwuchs seiner Adoptiveltern nicht aus dem Nest, sondern duldet sie neben sich. Es gleicht ihnen weitgehend in der Gefiederfarbe und ahmt auch deren Bettelrufe nach. Die Wirtsvogel-Eltern ziehen also eine Patchwork-Brut groß – ihre eignen Jungen gemeinsam mit einem Kuckucks-Küken.
Die Forscher um Daniela Canestrari von der Universität Oviedo sind nun der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen ein solches „zwangs-Adoptivkind” auf den Bruterfolg von Aaskrähen ( Corvus corone) in Nordspanien hat. Über einen Zeitraum von 16 Jahren erfassten sie dazu die Brutergebnisse von Vogel-Pärchen mit Kuckucks-Küken im Nest und ohne. Sie kamen zu dem erstaunlichen Ergebnis: Unterm Strich ziehen Aaskrähen mehr Jungvögel erfolgreich groß, wenn ihre Küken ein Kuckucks-Geschwisterlein besitzen, obwohl es sich eigentlich um einen Nahrungskonkurrenten handelt.
Eher Mutualismus als Parasitismus
Den Forschern zufolge ist die Ursache dieses positiven Effekts eine Schutzfunktion, die von Häherkuckucks-Küken ausgeht – sie sind nämlich bewaffnet: Sie sondern ein Sekret ab, das auf räuberische Säugetiere und Raubvögel abstoßend wirkt, zeigten die Analysen der Biologen. Es handelt sich um ein Gemisch aus Säuren, Phenolen und schwefelhaltigen Verbindungen, das sowohl das Kuckucks-Küken als auch seine hilflosen Nestgenossen vor den Nesträubern schützt. In Brutgebieten, wo beispielsweise Katzen besonders häufig Nester plündern, zahlt sich der Bodyguard-Effekt besonders aus, berichten die Wissenschaftler. Ist der Räuberdruck hingegen gering, fällt der positive Effekt allerdings weg.
Den Forschern zufolge dokumentieren die Ergebnisse eindrucksvoll, dass Beziehugen unterschiedlicher Tierarten oft komplexer sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Im Fall von Häherkuckuck und Aaskrähe verschwimmen die Grenzen zwischen Parasitismus und Mutualismus, sagen die Forscher. Mit Mutualismus bezeichnet man in der Ökologie eine Wechselbeziehung zwischen Lebewesen zweier Arten, aus der beide Partner Nutzen ziehen. Bei der vorliegenden Beziehung wird der Häherkuckuck immer nur dann zum Parasiten, wenn kaum Nesträuber vorhanden sind. Wimmelt es hingegen von Katzen und Raubvögeln, wird der raffinierte Vogel zum Verbündeten der Krähen.