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Kriminalistik der Zukunft: Für ein Phantombild reicht ein Spritzer Blut

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Kriminalistik der Zukunft: Für ein Phantombild reicht ein Spritzer Blut
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Britische Ermittler können sich in Zukunft aus Erbgutspuren am Tatort ein grobes Bild vom Täter machen. Erste Ansätze dazu haben Forscher bei der Haar- und Augenfarbe und bei der Ethnie geschafft. In Deutschland dagegen ist ein so genanntes DNA-Photofit verboten.

Ein häufiges Szenario nach einem Mord: Die Polizei findet keine Spur außer einem Blutspritzer auf der Jacke der Leiche. Das Blut stammt nicht vom Toten. Die Ermittler bestimmen anhand der Blutspuren den genetischen Fingerabdruck und geben das Profil in die Datenbank ein. Fehlanzeige. Bislang blieb in solchen Fällen der Polizei nichts anderes übrig, als von Verdächtigen in der Gegend und den Bekannten des Ermordeten ebenfalls einen DNA-Fingerabdruck zu nehmen. Aber wenn der Täter aber ein vollkommen Fremder ist? In Zukunft könnten die Ermittler dann möglicherweise aus einer Analyse des Blut-Erbgutes ungefähr das Aussehen des Täters bestimmen – schwarze Haare, blaue Augen, Boxerkinn, leicht dunkle Haut – und ein grobes Fahndungsbild erstellen. Erste Erfolge hin zu einem solchen “DNA-Photofit” vermeldete kürzlich der Britische Forensische Wissenschaftsdienst (FSS). Die Nachfolger von Sherlock Holmes können bereits aus wenigen Tropfen von Speichel, Samenflüssigkeit oder Blut die Haarfarbe und die Ethnie des Täters abschätzen. Am sichersten gelingt ihnen das bei Rothaarigen. Schon 1995 fanden Forscher aus Newcastle, dass die meisten Rothaarigen einen bestimmten Gendefekt tragen, der ihre Pigmentzellen schädigt. Die Wissenschaftler des FSS spürten daraufhin weitere Erbgutveränderungen auf und können nun aus einer Erbgutanalyse mit 96-prozentiger Sicherheit sagen, ob ein Täter rote Haare hat oder nicht.

Der Test wird der Polizei jedoch nur in wenigen Fällen helfen. Denn der Täter kann glatzköpfig oder bereits ergraut sein, oder er hat sich die Haare gefärbt. Zudem sind selbst unter den Briten nur sechs Prozent rothaarig. Ein Test für schwarze, braune oder blonde Haare wäre deshalb nützlicher. Bislang scheiterten Forscher jedoch an der enormen Komplexität, da sehr viele Gene die Haarfarbe bestimmen. Unmöglich ist jedoch ein solcher Test nicht. Bei der Augenfarbe, deren Tönung ein ähnlich verwirrendes Zusammenspiel von Genen ausmacht, hat die amerikanische Biotech-Firma “DNAPrint Genomics” bereits die Grundlagen für einen DNA-Test geschaffen. Deren Forscher entdeckten, dass die Augenfarbe im wesentlichen durch Variationen von vier Genen bestimmt wird. In Erbgut-Tests konnten die Wissenschaftler Freiwillige mit 97-prozentiger Sicherheit drei Klassen zuordnen: Dunkeläugige, Helläugige und solche mit hellbrauner Iris. Zur Zeit würden sie mit ersten Erfolgen an einem Test für die Haarfarbe arbeiten, sagte Forschungsleiter Tony Frudakis dem Wissenschaftsmagazin “New Scientist”. Der Leiter des Fachbereiches Serologie beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden, Hermann Schmitter, ist jedoch skeptisch. Er hält die Ansätze eher für “Fiction” als “Science”. Ein wahres DNA-Photofit, also das Erstellen eines Phantombildes aus einer Erbgutanalyse, werde es wohl überhaupt nie geben, sagte er der Nachrichtenagentur ddp. Denn viele Merkmale seien im Erbgut nicht definitiv festgeschrieben. So würden auch Umwelteinflüsse und das zeitliche Muster, in dem Gene an- und abgeschaltet werden, eine Rolle spielen. “Bei eineiigen Zwillingen ist der Fingerabdruck ja auch nicht identisch, obwohl sie die gleichen Gene haben”, sagt Schmitter. Dennoch vermutet der Forscher, dass sich irgendwann bestimmte äußere Merkmale aus Erbgutanalysen tatsächlich abschätzen lassen. So untersuchten britische Forscher neben Haar- und Augenfarbe etwa die Erblichkeit des Kinngrübchens, und amerikanische Wissenschaftler spürten dem Zusammenspiel von Genen und Glatze nach.

Deutschen Ermittlern würden aber auch zuverlässige Tests nichts bringen, da deren Anwendung nach Angaben des Bundeskriminalamtes in Deutschland verboten ist. Nach Gesetz dürfen nur der genetische Fingerabdruck, der keine Rückschlüsse auf Aussehen und andere Eigenschaften erlaubt, und das Geschlecht aus Erbgutproben vom Tatort bestimmt werden. Schon beim Geschlecht aber werde zur Zeit diskutiert, ob das nicht eine so genannte Überschussinformation sei, die nicht für die Ermittlungen genutzt werden darf, sagt Schmitter. Die Briten sind da weniger zimperlich: “Gesetzestreue Bürger müssen einen DNA-Photofit ja nicht fürchten, Verbrecher aber schon”, sagt FSS-Forscher Kevin Sullivan. Marcel Falk

Kasten: 4500 Täter mit Gendatenbank überführt Die Datenbank beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden, in der genetische Fingerabdrücke von Verbrechern gespeichert sind, ist ein großer kriminalistischer Erfolg: Rund 4500 Täter konnten seit dem Aufbau der Datenbank im April 1998 damit überführt werden. Zudem fanden Ermittler in über 2.000 Fällen, dass verschiedene Taten vom selben Verbrecher verübt wurden. Damit identifizierte die Polizei bei jeder fünften bis sechsten genetischen Spur den Täter über die Datenbank. Insgesamt sind in Wiesbaden über 200.000 genetische Fingerabrücke gespeichert. Etwa jeder zehnte ist ein Spurdatensatz, bei dem der Täter noch nicht identifiziert ist. Den genetischen Fingerabdruck gewinnen Ermittler von Blut, Samenflüssigkeit, Speichel oder Haaren, die sie am Tatort finden, oder von Verbrechern, bei denen Wiederholungsgefahr besteht. Mit einem Test werden dabei acht Abschnitte auf dem Erbgut der Proben untersucht, die zusammen für jeden Menschen auf der Erde ein einmaliges Muster ergeben. Dem Gesetz nach dürfen Ermittler den genetischen Fingerabdruck nur einsetzen, wenn ein schwerwiegendes Verbrechen vorliegt, dass das Sicherheitsempfinden erheblich beeinträchtigt. Am häufigsten konnte die Polizei bislang Einbrüche mit Hilfe der Datenbank aufklären.

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ddp/bdw – Marcel Falk
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