Warmes Wasser lässt die Korallengärten welken: Der Klimawandel schädigt zunehmend die Riffe der Welt und damit auch ihre bunten Bewohner. Wie Forscher nun berichten, reagieren die Falterfische auf die Korallenbleiche in ihrem Lebensraum mit einer charakteristischen Verhaltensänderung, die ein frühes Anzeichen des Korallensterbens repräsentiert: Während die Tiere normalerweise ihr Revier vehement gegen Eindringlinge verteidigen, verlieren sie diesen Kampfgeist deutlich, wenn sich die leichenhafte Blässe in ihrer Heimat breit macht.
Im Zuge des Klimawandels droht die Welt ihre Korallenriffe zu verlieren, warnen Forscher bereits seit einiger Zeit. Der Grund: Die winzigen Baumeister der ökologisch wichtigen Unterwassergärten reagieren sehr sensibel auf zu warme Wassertemperaturen – und zwar durch die sogenannte Bleiche. In ihr spiegelt sich die Zerstörung einer wichtigen Partnerschaft wider, welche die Korallenpolypen mit speziellen Algen eingehen. Wenn die Wassertemperaturen kritische Werte überschreiten, verlassen die Einzeller die Körper der winzigen Nesseltiere, wodurch sie ihre Farbe verlieren und schließlich absterben.
Der Tod der Riffbauer betrifft anschließend natürlich auch die gesamte Nahrungskette in dem artenreichen Lebensraum. Sofort leiden vor allem die zahlreichen Vertreter der prächtigen Falterfische (Chaetodon), denn sie ernähren sich direkt von den Korallenpolypen. Der Erforschung dieser „Schmetterlinge der Unterwasserwelt“ und ihres Lebensraumes widmen sich bereits seit einigen Jahren die Forscher um Sally Keith von der Lancaster University.
Verhaltensforschung unter Wasser
Ihre aktuelle Studie basiert auf umfangreichen Beobachtungen im Rahmen zahlreicher Tauchgänge in 17 unterschiedlichen Riffen des Indopazifiks. Insgesamt dokumentierten die Wissenschaftler während des zweijährigen Untersuchungszeitraums 5259 Begegnungen zwischen Individuen aus 38 verschiedenen Falterfisch-Arten. Interessanterweise fiel der Untersuchungszeitraum in die Zeit der verheerenden weltweiten Bleichewelle von 2016. So konnten die Forscher die Ergebnisse ihrer Verhaltensbeobachtungen vor, während und nach dem Korallensterben vergleichen.
Wie sie erklären, zeigen die Falterfische in gesunden Korallengärten normalerweise ein typisches Revierverhalten: Dringen andere Korallen fressende Fische in ihr Territorium ein, attackieren sie diese teilweise heftig, um ihre Nahrungsgrundlage zu schützen. Man könnte nun vermuten, dass Stress durch die Korallenbleiche die Fische noch aggressiver macht, doch offenbar ist das Gegenteil der Fall: Wie sich in den Auswertungen der Daten abzeichnet, kühlt die Korallenbleiche das hitzige Temperament der Fische deutlich ab. “Wir beobachteten, dass das aggressive Verhalten um durchschnittlich zwei Drittel zurückgegangen war“, berichtet Keith. Dies war zudem an das Ausmaß der Bleiche gekoppelt: „Der größte Rückgang beim Verteidigungsverhalten war in Riffen zu verzeichnen, in denen die meisten Korallen starben”, so die Meeresbiologin.
Wenn Falterfische ihr Temperament verlieren
Wie die Wissenschaftler erklären, hat der Rückgang etwas mit einer Art Preis-Leistungs-Verhältnis zu tun. Normalerweise investieren die Fische Energie in die Verteidigung, da durch den Effekt unterm Strich mehr Energiegewinn durch den Schutz der Nahrung in ihrem Revier entsteht. Wenn es durch das Korallensterben aber kaum noch etwas zu schützen gibt, verzichten die Tiere auf die zunehmend sinnlosen Energieverluste durch die Attacken, erklären die Wissenschaftler. “Ein Grund ist wohl, dass vor allem die nährstoffreichsten Korallen von der Bleiche betroffen sind, so dass die Fische von der üppigen auf eine kümmerliche Ernährung übergehen müssen, die gerade noch ein Überleben ermöglicht”, so Keith.
Bei den Ergebnissen handelt es sich um den ersten Nachweis eines Effekts der Korallenbleiche auf das Verhalten von Fischen, sagen die Forscher. Ihnen zufolge könnte die Beobachtung von Verhaltensänderungen bei den Falterfischen nun auch als ein frühes Warnzeichen dienen, dass mit dem Ökosystem eines Riffs etwas nicht stimmt und sich eine Korallenbleiche breit macht. Mit anderen Worten: Wenn sich das Temperament der Schmetterlinge der Meere abkühlt, droht Gefahr.