Böden sind wichtige Speicher für Kohlenstoff. Dabei galten vor allem bestimmte organische Verbindungen wie das Lignin aus Holz oder pflanzliche Wachse als stabil und nur schwer zersetzbar. Doch wie nun eine Feldstudie belegt, ist dies ein Irrglaube: Wenn sich die Böden erwärmen, werden auch diese “hartnäckigen” Kohlenstoffverbindungen verstärkt abgebaut und setzen CO2 frei. Dies geschieht zudem in tieferen Bodenschichten kaum langsamer als an der Bodenoberfläche. Der Klimawandel könnte demnach diese CO2-Senken stärker treffen als bisher angenommen.
Böden sind wichtige Kohlenstoffspeicher im Erdsystem. Der von Pflanzen aus dem Kohlendioxid (CO2) der Luft gebundene Kohlenstoff wird von ihnen in organische Verbindungen umgewandelt und ihren Geweben eingelagert. Über Wurzeln, abgestorbene Pflanzenreste und indirekt auch über Tierkadaver gelangt dieser Kohlenstoff auf die Bodenoberfläche. Dort bleiben die organischen Verbindungen in der Streuschicht, dem Humus und den tieferen Bodenschichten, bis sie durch die zersetzende Aktivität von Bakterien und Enzymen wieder abgebaut und in CO2 zurückverwandelt werden.
Komplexe organische Verbindungen im Blick
Ob und wie schnell dieser Bodenkohlenstoff wieder mobilisiert wird, hängt vom Klima und der Bodenschicht ab, aber auch von der Beschaffenheit der organischen Verbindungen. So galten bestimmte pflanzliche Polymere bisher als relativ stabil und schwer zu zersetzen. Dazu gehören das von holzigen Pflanzen für die Stabilisierung ihrer Zellen und Gewebe produzierte Lignin sowie verschiedene wachsartige Lipid-Substanzen, die manche Pflanzen in ihren Blättern, Stängeln und Wurzeln zum Schutz vor Austrocknung und Krankheitserregern einlagern. Auch der bei Waldbränden zurückbleibende sogenannte pyrogene Kohlenstoff galt bislang als relativ beständig.
Offen war bisher auch, wie stabil die Kohlenstoffspeicher im Unterboden sind, der Bodenschicht unterhalb von 20 Zentimeter Tiefe. “Diese Bodenschichten enthalten mehr als die Hälfte des gesamten organischen Bodenkohlenstoffs”, erklären Cyrill Zosso von der Universität Zürich und seine Kollegen. “Aber über die Stabilität dieses enormen Kohlenstoff-Pools im Zuge der globalen Erwärmung wissen wir bisher nur wenig.” Um dies zu ändern, haben Zosso und sein Team ein Langzeit-Experiment in den Wäldern der kalifornischen Sierra Nevada durchgeführt. Dafür senkten sie Heizstäbe bis in eine Tiefe von 2,40 Metern in den Boden ab und erwärmten die Testflächen im Laufe von viereinhalb Jahren allmählich bis auf vier Grad über den normalen Werten. Dies entspricht den Prognosen für eine weitgehend ungebremste Erwärmung bis 2100. Währenddessen untersuchten sie, wie sich die Gehalte der verschiedenen organischen Verbindungen verändern.
Rapider Verlust aus dem sich erwärmenden Boden
“Unsere Ergebnisse zeigen, dass alle Bestandteile des Bodenhumus gleichermaßen weniger werden, einfache chemische Stoffe genauso wie komplexe Bestandteile”, berichtet Seniorautor Michael Schmidt von er Universität Zürich. Anders als erwartet bewirkte die Erwärmung des Bodens auch in den tieferen Bodenschichten einen beschleunigten Abbau von organischen Verbindungen, darunter auch den bisher für stabil gehaltenen Substanzen. Nach Ablauf der 4,5 Jahre war der Gehalt an Lignin in den dieser Bodenzone um 17 Prozent gesunken, der der Wachse und Pflanzenfette und 28 Prozent. Die Mengen an pyrogenem Kohlenstoff hatte sogar um 37 Prozent abgenommen. “Diese Resultate bestätigen, dass es keinen per se stabilen Bodenkohlenstoff gibt”, konstatiert das Forschungsteam.
Wichtig ist diese Erkenntnis zum einen für Prognosen der CO2-Freisetzung aus sich erwärmenden Böden. “Wenn sich diese ersten Beobachtungen auch in längerfristigen Feldexperimenten bestätigen, hätte das erschreckende Konsequenzen”, sagt Schmidt. Denn wenn der Waldboden massiv an Bodenhumus verliert und dieser Kohlenstoff als CO2 frei wird, beschleunigt das die Erwärmung weiter.
Zum anderen beeinflusst das Wissen um die mangelnde Stabilität der vermeintlich hartnäckigen organischen Verbindungen auch die Versuche, auf Böden und Wälder als natürliche Kohlenstoffsenken zu setzen. Um diese zu nutzen, werden unter anderem Nutzpflanzen mit besonders tiefen Wurzeln und korkreicher Biomasse entwickelt und angepflanzt. “Bisher ging man davon aus, dass damit CO2 im Boden zurückgehalten werden kann”, sagt Schmidt. Doch das sei offenbar nicht der Fall.
Quelle: Universität Zürich; Fachartikel: Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-023-01142-1