Für ihre Studie analysierten die Forscher um Benjamin Cook von der Columbia University in New York Wetterdaten des 20. und 21. Jahrhunderts, vormoderne Klimarekonstruktionen und weinbauliche Aufzeichnungen, die bis auf das Jahr 1600 zurückgehen. Sie deckten dabei die bedeutendsten Weinbauregionen Frankreichs sowie der Schweiz ab. In den Datenauswertungen zeichnete sich ihnen zufolge zunächst grundlegend der bekannte Effekt ab: Überdurchschnittlich hohe Sommertemperaturen führten nur in Kombination mit einer anschließenden Trockenheit zur vorzeitigen Reife der Trauben.
Heiße Weinberge auch ohne Trockenheit
Der Grund für die nötige Trockenheit war ebenfalls ein Temperatureffekt, erklären die Forscher: Feuchter Boden führt zu Verdunstungskühlung, weshalb die Temperaturen im Weinberg bei normalen Niederschlagsbedingungen moderat bleiben. Bei Trockenheit steigen die Werte hingegen deutlich an und verpassen dem Reifeprozess des Weines schließlich den entscheidenden Schubs. Dies war aber nur die Voraussetzung für die frühen Ernten bis zum Jahr 1980, stellten die Forscher fest. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Klima nun so deutlich erwärmt, dass es auch bei feuchten Bedingungen zu verfrühten Ernten kommen kann, berichten Cook und seine Kollegen. Konkret: Im Lauf des 20. Jahrhunderts hat die Jahresdurchschnittstemperatur in Frankreich um 1,5 Grad zugelegt.
Zu den Weinbauregionen, in denen sich die Effekte nun abzeichnen, gehören die großen Namen: Elsass, Champagne, Burgund, Languedoc. Bisher hat der Klimawandel der Weinindustrie dort noch nicht geschadet, sagen die Forscher, denn die hier angebauten Weinsorten sind bei früher Ernte besonders ertragreich. Doch irgendwann ist wohl das Ende der Fahnenstange erreicht: “Bisher ist ein heißes Jahr ein gutes Jahr”, sagt Co-Autorin Elizabeth Wolkovich von der Harvard University. “Wenn die Temperaturen aber weiter steigen, könnten das die Weinberge irgendwann nicht mehr aushalten”, so die Wissenschaftlerin. Möglicherweise müsse man dann auf hitzeverträglichere Sorten als die traditionell angebauten umstellen oder die Weinbaugebiete müssten in klimatisch günstigere Bereiche ausweichen.
Frühe Ernte – guter Wein?
Die Forscher fanden außerdem Hinweise darauf, dass eine weitere Wein-Regel bröckelt. Normalerweise galt bislang: Eine Weinbausaison mit früher Ernte brachte besonders gute Jahrgänge hervor. Doch in Wein-Beurteilungen, die bis zu hundert Jahre zurückreichen, fanden die Wissenschaftler nun Hinweise darauf, dass dieser Zusammenhang seit etwa 1980 zu schwinden scheint. Deutlich wurde dies am Rekordjahr 2003: Eine Hitzewelle führte zur frühesten jemals verzeichneten Weinernte in Frankreich – die Trauben mussten einen satten Monat früher als üblich gepflückt werden. In der Qualität spiegelte sich dies allerdings offenbar nicht wider: Spitzenweine brachte der Jahrgangs 2003 nicht hervor. “Darin zeichnet sich möglicherweise ab, wohin die Entwicklung geht”, sagt Wolkovich.
Die Feststellung, dass sich die Weinernte immer mehr verfrüht, ist indes nicht neu und betrifft auch nicht nur Europa. Auch in den Weinbauregionen Nord- und Südamerikas sowie Australiens scheint sich der Klimawandel bereits deutlich bemerkbar zu machen, berichten die Wissenschaftler. Liz Thach von der Sonoma State University in Kalifornien zufolge betonen die Studienergebnisse nun, was Weinanbauer schon lange wissen. “Es gibt immer noch Leute, die den globalen Klimawandel bezweifeln – aber nicht unter den Vertretern der Weinindustrie. Hier sieht es jeder Jahr für Jahr: Der Effekt ist da, er ist real und geht auch nicht weg”, kommentiert die Weinbauexpertin.