Eine Beschränkung auf zwei Grad gilt bislang als offizielles Klimaschutzziel. Der Grund dafür: Bei einem Klimawandel über dieses Maß hinaus könnten Hitzewellen, Dürren, Starkregen oder Überschwemmungen durch den Meeresspiegelanstieg so häufig und schwerwiegend werden, dass diese Klimafolgen für viele Länder kaum mehr beherrschbar wären. Tatsächlich zeigen Studien, dass schon zwei Grad Erwärmung einige Küstenregionen in Bedrängnis bringen könnten, denn der Meeresspiegel steigt beispielsweise in Südasien stärker als im globalen Durchschnitt. Hinzu kommt, dass die zwei Grad des Klimaschutzziels ein globaler Durchschnittswert sind. Örtlich jedoch steigen die Temperaturen deutlich stärker und schneller als im globalen Mittel. So hat die Arktis das Zwei-Grad-Ziel längst überschritten. Und nicht nur das: Bereits im letzten Weltklimabericht von 2014 warnte das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dass für das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels nicht mehr viel Zeit bleibt. Wenn die gesamten globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent sinken würden, verglichen mit den Werten von 2010, so bestünde eine Chance von immerhin noch 66 Prozent, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, hieß es im IPCC-Bericht.
Wie groß ist die Chance noch?
Inzwischen sind wir drei Jahre weiter – und die weltweiten CO2-Emissionen sind seither nicht nennenswert gesunken. Deshalb haben nun Adrian Raftery von der University of Washington und seine Kollegen erneut untersucht, wie realistisch das Zwei-Grad-Ziel noch ist. Ihr Modell basiert auf Daten der letzten 50 Jahre zu Bruttoninlandsprodukt und CO2-Ausstoß pro Wirtschaftseinheit aller Staaten sowie der Tatsache, dass die Weltbevölkerung bis 2100 auf elf Milliarden Menschen wachsen wird, wie die UN prognostiziert. Auch die nationalen Emissionsziele, die die Länder für das Pariser Klimaabkommen eingereicht haben, sind berücksichtigt. Aus diesen Daten ermittelten die Forscher die Wahrscheinlichkeit, bis zum Jahr 2100 bestimmte CO2-Werte und Temperaturen zu erreichen.
Die Ergebnisse der Modellrechnungen sind wenig optimistisch: Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit, das für 2100 gesetzte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, bei nur noch rund fünf Prozent. Das ehrgeizigere Klimaschutzziel von 1,5 Grad Erwärmung ist sogar noch unrealistischer: Seine Chance liegt bei nur einem Prozent. “Unsere Analyse zeigt, dass das Zwei-Grad-Ziel ein ziemliches Best-Case-Szenario ist”, sagt Raftery. Denn die Modelle der Forscher sprechen dafür, dass die Menschheit am Klimaschutzziel deutlich vorbeischlittern wird. Die Chance für eine Erwärmung zwischen zwei und 4,9 Grad bis Ende des Jahrhunderts liegt bei 90 Prozent. Der Medianwert – und damit das wahrscheinlich zu erwartende Mittel, liegt bei 3,2 Grad, wie die Forscher berichten. Damit pendelt sich der Klimawandel zwischen den beiden mittleren Szenarien des IPCC ein.
Zur Überraschung der Wissenschaftler wird das zunehmende Bevölkerungswachstum für diesen Trend wohl kaum eine Rolle spielen. Dies könnte daran liegen, dass dieses zum größten Teil in Afrika stattfindet – und damit in Ländern, die ohnehin wenig zu den CO2-Emissionen beitragen, wie sie erklären. Stattdessen ist der Schlüsselfaktor für den Klimakurs die sogenannte Carbon Intensity – die Menge an CO2, die ein Land pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts ausstößt. “Die meisten Länder haben hierbei den Gipfel überschritten, ihre Kohlenstoffintensität sinkt bereits wieder”, berichten die Forscher. Doch bisher reiche dieser Trend nicht aus. “Wir brauchen einen abrupten Kurswechsel, um unsere Klimaschutzziele noch zu erreichen”, so Raftery.
1,3 Grad schon jetzt unausweichlich?
Wie viel Fahrt der Klimawandel bereits aufgenommen hat, unterstreicht eine zweite, im gleichen Journal erschienene Studie. In ihr haben Thorsten Mauritsen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und sein Kollege untersucht, wie sich das Klima entwickelt, wenn man jetzt sofort alle CO2-Emissionen weltweit stoppen würde. Das Ergebnis: Selbst bei sofortigem Emissions-Stopp würde sich das Klima bis zum Jahr 2100 um 1,3 Grad erwärmen. Der Grund dafür: Das Klimasystem der Erde reagiert träge auf Veränderungen. Bis eine erhöhte CO2-Konezntration in der Atmosphäre zu einer Erwärmung führt, dauert es rund zehn Jahre, wie eine Studie im Jahr 2014 ergab. Doch diese Treibhauswirkung hält dann mehr als ein Jahrhundert – selbst wenn alle weiteren Emissionen gestoppt werden.
Im Extremfall könnte dies bedeuten: Das Klimaschutzziel von 1,5 Grad wird möglicherweise schon aufgrund dieses Trägheits-Effekts überschritten – diese Erwärmung wäre damit schon jetzt unausweichlich. “Alle künftigen CO2-Emissionen aber kommen dann noch obendrauf”, sagt Mauritsen.
Quelle:
- Adrian Raftery (University of Washington, Seattle) et al., Nature Climate Change, doi: 10.1038/nclimate3352
- Thorsten Mauritsen (Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg) und Robter Pincus (University of Colorado, Boulder), Nature Climate Change, doi: 10.1038/nclimate3357