Mit dem Klimawandel nehmen extreme Wetterereignisse immer mehr zu: Sintflutartige Regenfälle, Stürme oder Hochwasser häufen sich schon jetzt vielerorts. Aber auch die “traditionellen” Naturgefahren wie Erdbeben können überall dort zur Katastrophe werden, wo viele Menschen auf engem Raum leben – in Städten. “Um menschliches Leid zu minimieren, müssen Städte in der Lage sein, vorausschauend zu planen, schnell zu reagieren und sich von den Einwirkungen erholen sowie aus den Ereignissen lernen”, erklärt Jörn Birkmann von der Universität Stuttgart.
1.600 Städte auf dem Prüfstand
Aber welche Städte sind besonders anfällig für Extremereignisse und Klimafolgen? Bisher richtete sich das Augenmerk der Forschung, aber auch der Politik bei dieser Frage vor allem auf die Megacities der Erde. Denn gibt es in diesen eng besiedelten Ballungsräumen Probleme, trifft dies gleich Millionen Menschen auf einmal.
Aber sind die Metropolen auch die verwundbarsten? Um das herauszufinden, haben Birkmann und seine Kollegen die Vulnerabilität der städtischen Bevölkerung in über 1.600 Städten mit mehr als 300.000 Einwohnern in 140 Ländern untersucht. Sie zogen hierfür Daten der Vereinten Nationen und der Weltbank für städtische Räume, deren Infrastrukturausstattung und sozioökonomische Indikatoren sowie andere Quellen heran.
Die Kleinen sind anfälliger
Das überraschende Ergebnis: Nicht die städtischen Moloche mit zig Millionen Einwohnern sind am anfälligsten gegenüber Extremereignissen und Naturkatastrophen, sondern die kleinen und mittelgroßen Städte. Denn diese Orte wachsen vor allem in Afrika und Asien oft rasant und kämpfen gleichzeitig gegen Armut, mangelhafte Infrastruktur und fragile Staatsführung. Die 15 Länder mit der verwundbarsten städtischen Bevölkerung sind demnach Afghanistan, Jemen, Haiti, Zentralafrikanische Republik, Niger, Nigeria, Elfenbeinküste, Mauretanien, Liberia, Pakistan, Mali, Irak, Benin, Togo und Gambia.
Beispiele für anfällige Städte sind Kampala in Uganda, Niamey in Niger und Chittagong in Bangladesch: Sie sind besonders verwundbar und anfällig für Naturgefahren und Klimawandel und haben oftmals begrenzte Kapazitäten zur Resilienzbildung. Auch Quito und die nahe gelegenen Städte Portoviejo und Manta haben dies im April 2016 erfahren. Damals erschütterte ein Erdbeben die Region, bei dem mehr als 600 Menschen getötet und weitere 10.000 verletzt wurden. Über 700.000 Menschen waren auf Notfallversorgung angewiesen.
Chance zum Wandel
„Die besonders hohe Verwundbarkeit rapide wachsender Klein- und Mittelstädte verlangt eine klare Prioritätensetzung für diese Städte und Länder”, sagt Birkmann. Sie sollten seiner Ansicht nach daher auch bei der am 17. Oktober 2016 beginnenden UN-Konferenz zum Thema Städte in Quito stärkere Beachtung finden. Auf der Konferenz soll eine Agenda verabschiedet werden, die Regierungen auffordert, Städte integrativer, nachhaltiger und widerstandsfähiger gegen Katastrophen zu gestalten.
Auch wenn kleinere und mittlere Städte stärker gefährdet sind – sie bieten auch die Chance für eine schnelle Besserung. Denn weil ihre Strukturen überschaubarer sind, lassen sie sich besser und effektiver verändern als bei Megacities, erklären die Forscher. Der Dialog zwischen verschiedenen Interessengruppen sei in kleineren Städten besser zu organisieren.
Hinzu kommt: Risikoreduktions- und Klimawandel-Strategien, die jetzt umgesetzt werden, können sich parallel zum Wachstum dieser Städte entwickeln beziehungsweise nach und nach angepasst werden. Zudem zeigen Vorsorgemaßnahmen wie verbesserte Abwasserbehandlungsanlagen oder Hochwasserschutz schneller eine spürbare Wirkung.
Quelle: Universität Stuttgart, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/537605a