Solange es trocken ist, sind alle Frösche Kletterkünstler. An ihren Fingern und Zehen sitzen Haftscheiben: Strukturen aus wabenförmigen Zellen, die von winzigen Kanälen umgeben sind. Von Baumfröschen ist bekannt, dass sie ein dünnflüssiges Sekret produzieren, das sich in den Kanälen verteilt. Es befähigt die Amphibien, selbst steile, spiegelglatte Oberflächen behände zu erklimmen. Ermöglicht wird dieser Trick sowohl durch hydrodynamische als auch durch Kapillar-Kräfte. Doch was passiert eigentlich, wenn die Frösche nasse Füße kriegen?
Forscher der University of Glasgow untersuchten in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „PLOS One”, wie sich Rhacophorus pardalis – ein auf Bäumen lebender Frosch – und Staurois guttatus – ein Frosch mit Vorliebe für Flüsse und Wasserfälle – unter verschiedenen Bedingungen schlugen. Dazu setzten sie die auf Borneo eingefangenen Tiere auf eine Scheibe, die sie langsam kippten – so lange, bis der Frosch entweder herunterplumste oder kopfüber an der Apparatur hing. Sie testeten die Haftung der Tiere auf glatter, leicht rauer und sehr rauer Oberfläche. Außerdem konnten sie einstellen, ob die Platte trocken blieb, ob wenig oder viel Wasser über sie hinwegströmte.
Auf trockenen und glatten Oberflächen schlugen sich beide Arten hervorragend. Auf rauen, trockenen Oberflächen war der Flussfrosch leicht im Vorteil. Seine eigentlichen Talente zeigten sich allerdings erst, wenn der Untergrund nicht nur grob, sondern auch pitschnass war. Während die meisten Baumfrösche unter diesen Umständen schon bei einem Neigungswinkel zwischen 20 und 40 Grad den Halt verloren, hielt der durchschnittliche Flussfrosch bis zu einem Neigungswinkel von 145 Grad die Stellung. Dabei achteten die Forscher um Thomas Endlein darauf, ihre quakenden Probanden nicht zu überfordern, wie sie schreiben: „Die Frösche hatten zwischen den Versuchen Zeit, sich zu erholen.”
Alles eine Frage der Technik
Um dem Geheimnis der Klebekünste von Staurois guttatus auf die Spur zu kommen, führten die schottischen Forscher weitere Versuche durch. Die Untersuchung der Haftscheiben unter dem Mikroskop brachte kaum Aufschluss: Zwar sind die Zellen der Flussfrösche gegenüber jenen der Baumfrösche leicht verlängert, und die Kanäle, die zum Rand der Haftscheiben führen, sind gradliniger. So kann überschüssige Flüssigkeit besser abfließen. Diese Veränderungen der Zellstruktur fanden die Forscher lediglich an den äußeren Rändern der Haftscheiben.
Deutlich informativer war die Untersuchung der Kontaktfläche zwischen Frosch und Scheibe – auch, wenn bei diesem Aufbau kein Wasser floss. Spätestens bei einem Neigungswinkel von 135 Grad spreizten alle Frösche ihre Gliedmaßen vom Körper ab. Wessen Nase nach unten zeigte, der drehte sich schnell um. Doch während die Baumfrösche bei hohen Neigungswinkeln nur noch an Fingern und Zehen baumelten, vergrößerten die Flussfrösche beständig die Kontaktfläche zwischen Untergrund, Bauch und Schenkeln. Messungen zeigten, dass der Körperkontakt vor allem die Reibung deutlich steigerte, während für die Adhäsion hauptsächlich die Haftscheiben verantwortlich waren.
Die Haut an Bauch und Beinen von Staurois guttatus weist übrigens keine Besonderheiten auf. Möglicherweise könnten sich die Baumfrösche an der Wand eines Wasserfalls genauso gut halten, wenn sie nur die richtige Technik beherrschen würden. Die Forscher schreiben, da die Situation für die Baumfrösche ungewohnt sei, sei mit „suboptimalen Verhaltensstrategien” zu rechnen. Grund zum Neid besteht jedoch nicht: Verliert Rhacophorus pardalis mal den Halt, kann er als sogenannter Flugfrosch mit Hilfe seiner Schwimmhäute elegant zu Boden gleiten. Dass soll ihm sein Verwandter aus dem Fluss erst mal nachmachen.