Zwei US-Forscher haben einen der Tricks entdeckt, die den Hefepilz Candida albicans zum Überlebenskünstler machen: Der Pilz, auf dessen Konto zum Teil schwere Infektionen gehen, ist nicht wählerisch, wenn es um seine Vermehrung geht. Er reagiert nicht nur auf die sexuellen Signale seiner Artgenossen, sondern auch auf die anderer Candida-Arten. Ist dann kein andersgeschlechtlicher Partner zur Stelle, nimmt der Hefepilz einfach einen gleichgeschlechtlichen. Dieses pragmatische Vorgehen erleichtert dem Hefepilz vermutlich das Überleben unter widrigen Bedingungen, etwa im menschlichen Wirt, vermuten Kevin Alby und Richard Bennett von der Brown University in Providence. Daher könnte das genaue Verständnis dieser Vermehrungsmechanismen vielleicht einmal zu neuen Behandlungsansätzen gegen die nicht selten tödlichen Pilzerkrankungen führen, teilt die Brown University mit.
Der Hefepilz Candida albicans ist weit verbreitet: Drei von vier Menschen sind von ihm besiedelt, ohne dass bei ihnen Anzeichen einer Erkrankung zu erkennen wären. Vor allem in den Schleimhäuten von Mund und Rachen, aber auch im Darm- und Genitalbereich kommt der Hefepilz vor. Verschiedene Erkrankungen wie Aids oder Diabetes und bestimmte Medikamente können allerdings das Immunsystem so schwächen, dass sich der Hefepilz stark vermehren kann. Die Folge ist eine Candidose – eine Pilzerkrankung, die auch tödlich verlaufen kann.
Wie genau sich die Hefepilze vermehren, haben die Forscher jetzt in Laborexperimenten genauer untersucht. Sie stellten Lockbotenstoffe – sogenannte Pheromone – von verschiedenen Candida-Arten her und setzten C. albicans nach und nach den Signalsubstanzen aus. Ergebnis: Nicht nur eine, sondern gleich mehrere von ihnen bewirkten Verhaltensänderungen. Bei den sexuell aktiven Formen der Hefezellen, die ein trübes oder opakes Aussehen haben, lösten die Duftstoffe die Vermehrung aus. Die Pilze bevorzugten dabei zwar grundsätzlich andersgeschlechtliche Zellen, wenn diese aber nicht zur Stelle waren, vereinigten sie sich einfach mit gleichgeschlechtlichen Zellen. Und auch die sexuell nicht aktiven Zellformen, die ein weißliches Aussehen besitzen, reagierten auf die Botenstoffe: Bei diesen Zellen förderten sie die Vernetzung zu einem Biofilm, einer Art Schleimschicht, die nur schwer medikamentös zu behandeln ist.
Die Forscher sehen ihre Experimente als einen ersten Schritt zum Verständnis der Vermehrung von Candida. Ob auch andere Pilze die Fortpflanzung ähnlich pragmatisch angehen, bleibt noch zu klären. “Wir nehmen an, dass dies ein genereller Vorteil für Pilze sein könnte”, so Bennett. “Wenn sie wahrnehmen, dass andere Arten versuchen, sich fortzupflanzen, entscheiden sie sich vielleicht, das ebenfalls zu tun.” Es bleibe allerdings die Frage, so Bennett, ob die Pilze auch für chemische Signale ihres menschlichen Wirtes derartig empfänglich sind.
Kevin Alby und Richard Bennett (Brown University, Providence): PNAS, doi: 10.1073, pnas.1017234108 dapd/wissenschaft.de – Marianne Diehl