Vor 5.000 Jahren konnten die Menschen in Europa als Erwachsene keine Milch verdauen: Sie trugen die Genmutation noch nicht, die es heute der Mehrheit der Europäer erlaubt, über das Säuglingsalter hinaus den nicht verwertbaren Milchzucker Lactose in verwertbare Zuckerarten zu spalten. Dies schließt ein deutsch-britsches Forscherteam aus einer Untersuchung von jungsteinzeitlichen Skeletten. Sie stützen damit die Hypothese, wonach nomadische Hirten, die aus dem Uralgebirge einwanderten, die Genmutation in Europa verbreiteten.
Joachim Burger von der Universität Mainz und seine Kollegen isolierten das Erbmaterial von insgesamt neun steinzeitlichen Skeletten, die in Zentral- und Osteuropa gefunden worden waren. Bei keiner dieser Proben fanden die Forscher die für die so genannte Lactasepersistenz verantwortliche Genmutation. Als Lactasepersistenz wird bezeichnet, wenn das milchzuckerspaltende Enzym
Lactase auch noch über das Säuglingsalter hinaus vom menschlichen Köper gebildet wird.
Bisher waren sich Wissenschaftler uneinig, wie die Lactasepersistenz in der Evolution entstanden ist: Nur wenige unserer Vorfahren konnten als Erwachsene Milchzucker spalten, vermuteten einige. Als die frühsteinzeitlichen Nomaden begannen, Milchvieh zu halten, war diese Fähigkeit von Vorteil und verbreitete sich durch natürliche Selektion. Eine andere Hypothese ging umgekehrt davon aus, dass die Lactasepersistenz der Mehrheit einer Bevölkerungsgruppe die Voraussetzung für das Entstehen der Milchwirtschaft war. Die Ergebnisse von Burger und seine Kollegen stützen die erste der beiden Vermutungen.
Joachim Burger (Universität Mainz) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, DOI 10.1073/pnas.0607187104 ddp/wissenschaft.de ? Fabio Bergamin