Zellen des menschlichen Immunsystems können möglicherweise das Gift von Schlangen und Bienen abbauen. Zu diesem Schluss kommen Forscher aus den USA und Schweden nach einer Studie mit so genannten Mastzellen von Mäusen. Bisher gingen die Fachleute davon aus, diese Zellen würden in Anwesenheit von Gift überreagieren und dessen Wirkung noch verstärken. Nun konnten Martin Metz und seine Kollegen jedoch zeigen, dass die Mastzellen zumindest bei Mäusen einige Gifte unschädlich machen können. Mit einer systematischen Prüfung verschiedener Tiergifte könnten künftig vielleicht bessere Gegengifte entwickelt werden, hoffen die Wissenschaftler.
Mastzellen sind ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems. Sie produzieren verschiedene Substanzen, die Entzündungen und andere Gewebeveränderungen hervorrufen können. Lange Zeit waren Fachleute davon überzeugt, dass Mastzellen die Wirkung von Schlangengift verstärken, da sie bei einer Überreaktion für die allergischen Reaktionen mitverantwortlich sind. Vor zwei Jahren zeigten jedoch Forscher um Metz, dass die Mastzellen von Mäusen, die an bakterieller Bauchfellentzündung litten, eines der Hauptgifte abbauten, die der Körper dabei produzierte. Viele Tiere überlebten dadurch die Infektion. Das Gift ähnelte dem so genannten Sarafotoxin 6b, dem gefährlichsten Bestandteil des Giftes der Erdviper. Metz und sein Team vermuteten daher, die Immunzellen könnten auch das Sarafotoxin 6b zersetzen.
In ihrer Arbeit verabreichten die Forscher deshalb das Gift der Erdviper Mäusen, von denen einige genetisch derart verändert wurden, dass sie keine Mastzellen hatten. Das Resultat war eindeutig: Die Tiere mit Mastzellen ertrugen eine zehnmal höhere Giftdosis als ihre Artgenossen ohne die Immunzellen. Außerdem stellten die Wissenschaftler fest, dass die Mastzellen auch in der Lage waren, die Gifte der Westlichen Diamant-Klapperschlange und des Südlichen Kupferkopfs abzubauen, obwohl diese Toxine keine Bestandteile enthalten, die dem Sarafotoxin 6b ähneln. Ebenfalls wirksam waren die Immunzellen gegen das Gift von Honigbienen.
Die Mastzellen reduzierten jeweils nicht nur die Toxizität des Giftes, sondern retteten viele Tiere auch vor dem Tod. Wahrscheinlich können jedoch nicht alle Gifte im Tierreich durch die Zellen des Immunsystems derart erfolgreich abgebaut werden, vermuten Metz und seine Kollegen. Vielmehr dürfte die Wirksamkeit einiger Toxine durch die Reaktion der Mastzellen tatsächlich noch verstärkt werden. Eine systematische Untersuchung verschiedenster Tiergifte soll nun darüber Aufschluss geben. Zudem sollen weitere Experimente zeigen, ob menschliche Mastzellen auf die gleiche Weise reagieren wie die von Mäusen.
Martin Metz (Stanfort University) et al.: Science, Bd. 313, S. 526 ddp/wissenschaft.de ? Katharina Schöbi