Objektivierung ist schlecht für die Psyche
Bei einem solchen von der Außensicht dominierten Selbstbild wird der eigene Körper oft zum bloßen Objekt. Das tut jedoch wiederum der Psyche nicht gut, haben bereits mehrere Studien gezeigt: Er erhöht die Neigung zu Depressionen, Angststörungen, sexuellen Problemen und, vor allem, Essstörungen. Bei Magersucht etwa haben die Betroffenen ein völlig verzerrtes Körperbild und nehmen sich als viel dicker wahr, als sie in Wirklichkeit sind. Als Folge hungern sie sich immer dünner . Die Signale, die ihnen ihr Körper dabei sendet, etwa Hunger oder ein Unwohlsein ob der geringen Nahrungszufuhr, nehmen sie irgendwann gar nicht mehr wahr.
Eine derartig gedämpfte Wahrnehmung der Vorgänge im eigenen Körper wird auch als Schlüsselfaktor bei anderen Problemen mit dem Körperbild diskutiert. Daher stellten sich die beiden Psychologen Vivien Ainley und Manos Tsakiris von der Royal Holloway University in London jetzt die Frage, ob es hier einen generellen Zusammenhang gibt. Neigt also, wer sein Inneres nicht oder nur wenig spürt, eher dazu, seinen Körper als Objekt wahrzunehmen?
Den eigenen Herzschlag im Ohr
Um diese Frage zu beantworten, ließen sie 43 Studentinnen im Alter von 19 bis 26 Jahren verschiedene Fragebögen ausfüllen, in denen sie Auskunft über ihr Selbstbild geben sollten. In einem Bogen wurde beispielsweise abgefragt, wie wichtig verschiedene Eigenschaften für das Selbstkonzept sind. Dazu gehörten einerseits Merkmale, die sich auf die äußere Erscheinung bezogen wie etwa Attraktivität und die Körpermaße , und andererseits bestimmte Fähigkeiten und Gefühle, wie Energie oder Gesundheit. Anschließend bekamen die Probandinnen Kopfhörer aufgesetzt, die die Geräusche im Raum dämpften, und wurden gebeten, ihre eigenen Herzschläge zu zählen. Parallel zeichnete ein Pulsmesser den tatsächlichen Puls auf.
Tatsächlich fand sich eine eindeutige Korrelation, berichten die Psychologen: Die Teilnehmerinnen, die ihren Herzschlag am besten spüren konnten, neigten am wenigsten dazu, sich selbst von außen zu beobachten. Umgekehrt waren die Frauen am stärksten auf ihre äußere Erscheinung fixiert, die am wenigsten sensibel für ihren Herzschlag gewesen waren.
Ursache oder Folge?
Bleibt die Frage, was hier Huhn und was Ei ist. Es sei denkbar, dass der ständige Wechsel der Perspektive für den Blick von außen einen Teil der kognitiven Ressourcen belegt, erläutert das Forscherduo. Dadurch steht weniger für Wahrnehmung und Bewertung der inneren Signale zur Verfügung. Umgekehrt könnte es jedoch ebenso gut sein, dass eine fehlende Sensibilität für die eigenen Körpervorgänge, ob nun angeboren oder erworben, den Fokus überhaupt erst nach außen lenke.
Die Wissenschaftler tendieren zur zweiten Variante und leiten daraus auch gleich eine Empfehlung ab: Wer es schaffe, die Fähigkeit des In-Sich-hHineinhorchens zu trainieren, könne damit vermutlich die Balance zwischen innerem und äußerem Selbstbild und damit auch seine psychische Befindlichkeit verbessern. Ein Tipp, wie man das erreichen kann, haben sie auch: Man sollten sich eine Zeitlang vor einen Spiegel setzen und dann versuchen, die eigenen Herzschläge wahrzunehmen. Frühere Studien hätten nämlich gezeigt, dass man so auf eine sehr einfache Weise den Fokus auf sich selbst lenken kann.