Heftig tobt momentan die Diskussion darum, zu welcher Jahreszeit die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar ausgetragen werden soll. Im Winter? Oder doch im Frühling? Im Sommer, da sind sich alle einig, geht’s nicht: Zwischen Juli und August liegen die Durchschnittstemperaturen bei mehr als 40 Grad. Da drohen selbst gut trainierte Fußballprofis auf dem Platz vom Hitzschlag ereilt zu werden. Zwischen dreißig und siebzig Prozent der Energie, die unser Stoffwechsel zur Verfügung stellt, gehen bei der Umwandlung in Bewegungsenergie als Wärme verloren. Kann unser Körper diese nicht schnell genug abführen, überhitzt er. Und dann ist ganz schnell Schluss mit Rennen, Passen, Grätschen.
Das Problem beschäftigt Fußballprofis ebenso wie Hobbyjogger. Um die Körperkerntemperatur zu senken und die Leistungsfähigkeit zu steigern, gibt es einige wirksame Tricks. Am effektivsten ist es, sich vor dem Sport in eine Wanne mit kaltem Wasser zu legen und ordentlich abzukühlen. Wo das nicht möglich ist, helfen auch kalte Getränke oder das Einatmen gekühlter Luft. Nun haben Forscher der University of Kent und der University of Bedfordshire noch eine weitere Möglichkeit gefunden, das Durchhaltevermögen zu befeuern.
Sie verabreichten ihren Probanden in zwei Versuchsdurchläufen jeweils eine Dosis Paracetamol oder ein Placebo und ließen sie bei 30 Grad und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit auf einem Spinningrad bei festem Schwierigkeitsgrad bis zur Erschöpfung strampeln. Die elf Teilnehmer – allesamt junge Männer, die nur in ihrer Freizeit Sport betrieben – hielten es nach Einnahme des Schmerzmittels im Schnitt vier Minuten länger auf dem Gerät aus als nach Einnahme des Placebos. Außerdem lag ihre Körpertemperatur um 0,19 Grad, ihre Hauttemperatur sogar um 0,47 Grad tiefer als im Vergleichstest. Damit schneidet die Schmerztablette in etwa so gut ab wie der Konsum kalter Getränke während des Trainings. Auch das subjektive Hitzeempfinden wurde durch Paracetamol – beziehungsweise den Wirkstoff Acetaminophen – gelindert. Auf die Herzfreqzenz hatte das Medikament hingegen keinen Einfluss.
Aufruf an die Antidoping-Behörde
Zwar ist bereits bekannt, dass Sportler auf Paracetamol unter normalen Bedingungen länger durchhalten, weil sie Muskelschmerzen weniger deutlich wahrnehmen. Die verringerte Körpertemperatur lässt allerdings darauf schließen, dass in diesem Fall noch andere Mechanismen am Werke sind. Paracetamol wirkt auch fiebersenkend. Die Forscher spekulieren deshalb, dass Acetaminophen über Signalwege im Gehirn auf bestimmte Entzündungsvorgänge im Körper wirkt und die Thermoregulation beeinflusst.
Ihre Forschung möchten sie allerdings keinesfalls als Einladung verstanden wissen, vor dem Sport im Sommer fleißig Pillen einzuschmeißen. Denn erstens ist Paracetamol bei Überdosierung toxisch für die Leber. Selbst Erwachsene sollten maximal vier Gramm am Tag einnehmen; wer zu viel schluckt, landet schnell im Krankenhaus. Zweitens verschleiern Schmerzmittel beim Sport Signale des Körpers, auf die es sich zu hören lohnt. Alexis Mauger, Erstautor der Studie, geht sogar noch weiter. Er fordert: „Die Welt-Antidoping-Agentur und die lokalen Antidoping-Behörden sollten sich Gedanken um den Einsatz von nicht-steroidalen Entzündungshemmern [wie Paracetamol] im Sport machen – sowohl aus Gesundheits- als auch aus Leistungsgründen.”
Viel lieber wäre es den Forschern, wenn ihre Ergebnisse Menschen mit anstrengenden Jobs helfen würden, besser mit Hitze klarzukommen – Feuerwehrleuten, Bergarbeitern oder Soldaten etwa. Außerdem, sagt Mauger, „sollte die Nützlichkeit von Paracetamol als Mittel zur ersten Hilfe bei Hitzeerschöpfung untersucht werden.” Hitzeerschöpfung? Das ist ein Zustand, der beim Public Viewing während einer Winter-WM kaum auftreten dürfte. Aber zum Glück lindert Paracetamol ja auch die Symptome der fiesen Erkältung, das wir uns nach zwei Stunden Fußballgucken im Schneematsch vor der Großleinwand eingefangen haben.