Stehen wir unter akutem Stress, schaltet unser Körper typischerweise einen Gang hoch: Stresshormone werden ausgeschüttet, der Puls beschleunigt sich, das Blut zirkuliert schneller durch den Körper. Diese Reaktion hat sich im Laufe der Evolution bewährt. Denn die physiologische Mobilmachung sorgt dafür, dass wir schnell auf eine drohende Gefahr reagieren können. Egal ob der Angriff eines Raubtiers oder eines Artgenossen – unsere Muskeln sind fit für einen Kampf oder aber die Flucht. Dummerweise hilft uns das Weglaufen bei vielen modernen Stresssituationen nur wenig – ob Prüfung, Ärger mit dem Chef oder eine wichtige Verhandlung. Meist galt daher bisher die physiologische Erregung eher als Manko, als Nachteil, der uns die nötige Ruhe und Klarheit nimmt und daher den Erfolg eher gefährdet denn unterstützt. Aber stimmt das auch?
Ashley D. Brown und Jared R. Curhan vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) wollten genau dies genauer überprüfen und haben dazu zwei Experimente durchgeführt. Dazu befragten sie zunächst alle Probanden zu ihrer Einstellung gegenüber schwierigen Verhandlungen: Hatten sie eher Angst davor und waren aufgeregt oder genossen sie es sogar, ihre Verhandlungskünste mit denen ihres Gegenübers zu messen? Ein paar Wochen später begannen die eigentlichen Tests – auf dem Laufband. Denn weil nicht jeder von Natur aus gleich stark in Aufregung gerät, sollte die Bewegung dafür sorgen, dass der Körper der Probanden zu den für die Stressreaktion typischen Hochtouren auflief. Während die Teilnehmer liefen, sollten sie mit einem Gegenüber Preisverhandlungen über ein neues Auto führen. Die Forscher zeichneten dabei die Laufgeschwindigkeit und den Puls der Teilnehmer auf und beobachteten auch den Ablauf und Erfolg der Verhandlungen.
Die Einstellung macht den Unterschied
Das Ergebnis: Herzklopfen, hoher Puls und Schwitzen hatten tatsächlich eine Wirkung auf die Verhandlungskünste der Teilnehmer – allerdings auf unerwartete Weise, wie die Forscher berichten. Diejenigen, die zuvor schon angegeben hatten, solche Verhandlungen eher ungern zu führen, schnitten in den Verhandlungen schlechter ab, wenn sie schneller gelaufen waren und daher ihr Körper stärker beansprucht war. Diejenigen aber, die sogar gerne verhandelten, schnitten umso besser ab, je stärker ihre physiologische Erregung war. “Es zeigt sich, dass der Effekt der körperlichen Reaktion davon abhängt, ob jemand Verhandlungen fürchtet oder sich darauf freut”, konstatiert Brown. Die Stressreaktion des Körpers sei daher nicht per se schädlich oder störend.
Das bestätigte sich auch in einem zweiten Experiment. Bei diesem sollten die Teilnehmer mit einem Vertreter ihres Arbeitgebers über eine Entschädigung verhandeln – einmal beim Laufen und einmal ganz normal während sie saßen. Auch hier zeigten sich je nach Einstellung der Probanden zu Verhandlungen deutliche Unterschiede: Standen sie ihnen positiv gegenüber, schnitten sie sogar besser ab, wenn sie sich beim Verhandeln bewegten. Fürchteten sie dagegen diese Situationen eher, wirkte sich auch die zusätzliche körperliche Belastung negativ aus.
Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass die subjektive Einstellung darüber entscheidet, wie sich die Reaktion des Körpers auswirkt. Möglicherweise liege dies daran, dass Menschen, die sich vor einer Verhandlungssituation fürchten, Herzklopfen und Co als Zeichen der Nervosität deuten und sich dadurch noch stärker verunsichern lassen. Jemand, der gerne feilscht und sein Gegenüber durch geschicktes verbales Taktieren ausmanövriert, sieht die gleichen Symptome dagegen eher als Zeichen dafür, dass Körper und Gehirn auf Hochtouren laufen und fühlt sich eher gut gerüstet dadurch. “Wir vermuten, dass dieser polarisierende Effekt nicht nur bei Verhandlungen wirkt, sondern auch in anderen Zusammenhängen wie Vorträgen, Wettbewerben oder Prüfungen”, sagt Brown. Der gute Rat: “Beruhige dich doch” könnte daher zwar für einige Menschen sinnvoll sein – andere dagegen eher behindern.