“Warum ich – was habe ich falsch gemacht?” Diese Frage stellt sich so mancher Krebspatient, denn immer wieder wird gewarnt: Meide Risikofaktoren! Doch auch Menschen, die sich an alle Empfehlungen halten, sind vor Krebs bekanntlich nicht gefeit. “Wir wissen, dass wir Umweltfaktoren wie das Rauchen meiden müssen, um unser Krebsrisiko zu verringern”, sagt Cristian Tomasetti von der Johns Hopkins University in Baltimore. “Weniger bekannt ist hingegen, dass ständig normale Zellen Fehler machen, wenn sie ihre DNA teilen und kopieren, um zwei neue Zellen hervorzubringen. Diese Kopierfehler sind eine wichtige Quelle von Krebsmutationen. Unsere Studie liefert nun die erste Schätzung dazu, wie viele Mutationen durch diese Fehlerquelle verursacht werden”, so der Krebsforscher.
Die Ergebnisse von Tomasetti und seinen Kollegen basieren auf neuartigen mathematischen Modellen, die sie zur Analyse von Informationen aus DNA-Sequenzierungen sowie epidemiologischen Daten aus der ganzen Welt eingesetzt haben. Konkret sind die Forscher mit ihren Methoden den genetischen Mutationen auf den Grund gegangen, die ein abnormales Zellwachstum bei 32 Krebsarten verursachen.
Unterm Strich etwa zwei Drittel
Wie sie erklären, sind in der Regel zwei oder mehr kritische Gen-Mutationen für die Entstehung von Krebs verantwortlich. Diese Ausreißer in der Gen-Sequenz können auf die zufälligen DNA-Kopierfehler, Umweltfaktoren oder vererbte Mutationen zurückzuführen sein. Um dies zuzuordnen, nutzten die Wissenschaftler ihre mathematischen Modelle. So kamen sie beispielsweise im Fall von Bauchspeicheldrüsenkrebs zu dem Ergebnis, dass 77 Prozent der kritischen Mutationen auf die zufälligen DNA-Kopierfehler zurückzuführen sind, 18 Prozent auf Umweltfaktoren wie Rauchen und die restlichen 5 Prozent auf eine erbliche Veranlagung.
Bei Krebs in anderen Organen oder Geweben, wie beispielsweise in der Prostata, im Gehirn oder in Knochen, sind sogar mehr als 95 Prozent der Mutationen auf zufällige Kopierfehler zurückzuführen, berichten die Forscher. Lungenkrebs bildet allerdings eine klare Ausnahme: Nur 35 Prozent der verantwortlichen Mutationen werden durch DNA-Kopierfehler verursacht, 65 Prozent sind hingegen auf Umweltfaktoren zurückzuführen, vor allem auf das Rauchen. Vererbte Faktoren spielen bei Lungenkrebs hingegen keine Rolle. Unterm Strich kommen Tomasetti und seine Kollegen zu dem Ergebnis: Bei den 32 untersuchten Krebsarten resultieren gemittelt 66 Prozent der verantwortlichen Mutationen aus Kopierfehlern, 29 Prozent aus dem Lebensstil oder den Umweltfaktoren und bei den restlichen 5 Prozent handelt es sich um erbliche Effekte.
Botschaft: Früherkennung ist wichtig
Diese Ergebnisse sind im Einklang mit den Ergebnissen bisheriger epidemiologischer Studien, wonach etwa 40 Prozent der Krebserkrankungen durch die Vermeidung von ungesunden Umweltfaktoren und Lebensstilen verhindert werden können. “Wir müssen natürlich Menschen weiterhin zu einem gesunden Lebensstil ermuntern”, sagt Co-Autor Bert Vogelstein von der Johns Hopkins University. “Doch viele werden durch die DNA-Kopierfehler dennoch Krebs entwickeln. Deshalb sind bessere Methoden nötig, um Krebserkrankungen so früh zu erkennen, dass sie noch heilbar sind”, so Vogelstein. Sein Kollege Tomasetti ergänzt: Das Problem der zufälligen DNA-Kopierfehler werde wichtiger, da unsere Gesellschaften mit alternden Populationen konfrontiert sind. “Denn je älter ein Mensch wird, desto höher wird das Riskio, dass es zu DNA-Kopierfehlern kommt”.
Zu guter Letzt geht aber aus der Studie auch ein tröstlicher Aspekt für Krebspatienten hervor, die alle Risikofaktoren gemieden haben, betont Vogelstein: Es wird deutlich, dass die quälende Frage nach dem Warum nicht unbedingt immer angebracht ist. Die Botschaft lautet in diesem Fall: “Es ist nicht deine Schuld – nichts, was du getan hast oder nicht, war für deine Krankheit verantwortlich”, so Vogelstein.