Wisente und Elche waren Jahrtausende lang in unseren Gefilden heimisch, heute fehlen diese großen Pflanzenfresser. Doch in Osteuropa hat ihr Bestand wieder zugenommen und damit auch das Potenzial für eine Einwanderung und Wiederansiedelung in Deutschland. Ob es dafür bei uns überhaupt geeignete Habitate gibt und wie konfliktträchtig die Rückkehr von Wisent und Elch wäre, haben nun Wissenschaftler näher untersucht.
Große Pflanzenfresser wie Wisente und Elche waren lange Zeit wichtiger Teil unserer Ökosysteme – auch hier in Mitteleuropa. Aber die zunehmende Präsenz des Menschen und die gezielte Jagd dezimierte ihre Populationen immer mehr, bis beide Arten schließlich aus Mitteleuropa verdrängt wurden. Während die Elche in Ost- und Nordeuropa weiterhin vorkommen, drohten die Wisente Anfang des 20. Jahrhunderts ganz auszusterben. Aus zwölf in Zoos und Wildgehegen gehaltenen Tieren wurden die europäischen Bisons jedoch wieder vermehrt und vor allem in einer Region an der Ostgrenze Polens ausgewildert.
Die Rückkehr der großen Herbivoren
Heute gibt es wieder mehr als 7000 Wisente in Polen und der Slowakei, eine kleine Herde wurde auch im Rothaargebirge in Deutschland angesiedelt. Seit einigen Jahren wandern zudem immer häufiger Elche und Wisente aus Osteuropa Richtung Westen. Beide werden daher immer wieder auch in Ostdeutschland gesichtet. Das wirft die Frage auf, ob es in Deutschland überhaupt geeignete Lebensräume für diese großen Pflanzenfresser gibt – und ob eine Wiedereinwanderung und Ansiedlung von Elch und Wisent ohne größere Konflikte mit dem Menschen möglich sind. Denn schon die kleine Wisentherde im Rothaargebirge sorgte für Streit und intensive Diskussionen mit Waldbesitzern.
Wie groß das Potenzial für die Rückkehr der beiden großen Pflanzenfresser nach Deutschland und in die östlich angrenzenden Gebiete Mitteleuropas ist, haben nun Hendrik Bluhm von der Humboldt-Universität Berlin und seine Kollegen genauer untersucht. Dafür stellten sie den bisher größten Datensatz zum Vorkommen von Wisent und Elch in Mitteleuropa und nutzten Habitatmodelle, um aus ökologischer Sicht geeignete Lebensräume zu ermitteln. Anschließend nutzten sie Daten zur Landnutzung, Bevölkerungsdichte und der Präsenz menschlicher Infrastrukturen, um Konfliktpotenzial und potenzielle Belastung der Populationen durch den Menschen zu klären.
Reichlich geeignete Habitate
Das Ergebnis: „Uns hat überrascht, wie viele ökologisch geeignete Lebensräume wir für beide Arten identifizieren konnten” berichtet Bluhm. „Insbesondere im Nordosten Deutschlands wie der Schorfheide und Uckermark oder der Mecklenburgischen Seenplatte, aber auch in den deutschen Mittelgebirgen wie Harz, Spessart, Thüringer Wald oder Pfälzerwald finden wir große Habitatgebiete, die für Elch und Wisent potenziell gut geeignet sein können.” Insgesamt umfassen die in Mitteleuropa für den Wisent geeigneten Lebensräume 120.500 Quadratkilometer, das entspricht 13 Prozent des Studiengebiets.
Besonders ausgedehnte Habitate für den Wisent finden sich in den bewaldeten Landschaften Polens, die an schon existierende Herdengebiete angrenzen, aber auch in den Karpaten. Für den Elch kommen sogar 26 Prozent der Fläche als potenzielles Habitat in Frage, darunter auch die Odermündung, die Lüneberger Heide oder die Schorfheide. Theoretisch würden die großen Pflanzenfresser also auch bei uns genügend Platz und Nahrung finden, um sich wieder anzusiedeln. Voraussetzung wäre allerdings, dass nicht zu viele Barrieren den aus dem Osten einwandernden Wisenten und Elchen den Weg versperren: „Besonders Autobahnen und Schnellstraßen stellen Barrieren für Wisent und Elch dar, vor allem wenn diese hoch eingezäunt sind”, erklärt Blums Kollege Tobias Kümmerle.
Konfliktpotenzial nimmt nach Westen hin zu
Doch noch entscheidender dafür, ob eine Rückkehr von Elch und Wisent möglich ist, ist die gesellschaftliche Akzeptanz. „Wisent und Elch können sich recht flexibel an unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen”, erklärt Bluhm. Die Frage sei daher nicht, ob diese Arten bei uns genügend Platz haben werden, sondern ob und wo wir Menschen ihnen die Rückkehr erlauben. Die aktuellen Analysen zeigen, dass viele der eigentlich für Wisent und Elch geeignete Lebensräume in Deutschland einige Konfliktpotenzial bergen. Von den 37 Prozent der Habitate, die unter hohem menschlichen Druck stehen, liegen die mehr als die Hälfte in Deutschland.
Vor allem im dichter besiedelten Westen des Landes könnten demnach nur wenige Gebiete als geeignet übrig bleiben. Im Osten Deutschlands, dem Gebiet, das die Wisente und Elche aus Osteuropa ohnehin zuerst erreichen, sieht die Lage hingegen etwas entspannter aus. “Insgesamt unterstreichen unsere Karten, dass eine Ausweitung des Verbreitungsgebiets von Wisent und Elch nach Westen möglich und plausibel ist”, konstatieren Blum und seine Kollegen. Wie gut und weit sich diese großen Pflanzenfresser aber bei uns halten, hängt auch von uns ab.
Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin; Fachartikel: Diversity and Distributions, doi: 10.1111/ddi.13671