Grundwasser ist eine essenzielle Ressource – und akut bedroht. Gerade in Deutschland sickert zu viel Nitrat in den Untergrund. Doch wie sich nun zeigt, kann das Grundwasser dieses Nitrat dank natürlicher Selbstreinigung besser abbauen als bisher gedacht – wenn die Bedingungen stimmen. Denn dieser Nitratabbau funktioniert nur in tiefen Aquiferen, deren Gestein die Ansiedlung bestimmter Mikroben begünstigt.
“Obwohl Grundwasser eine entscheidende Ressource für Trinkwasser und Bewässerung ist, wird es weltweit durch Landwirtschaft, Industrie und andere Aktivitäten verschmutzt”, sagen Tamara Kolbe von der Universität Rennes und ihre Kollegen. Besonders problematisch sind die in Deutschland und vielen anderen Ländern zu hohen Nitratwerte des Grundwassers. Weil zu viel Gülle und Düngemittel auf die Felder gebracht werden, können die Pflanzen nur einen Teil der darin enthaltenen Stickstoffverbindungen aufnehmen. Der Rest verbleibt im Boden und wird langsam in den tieferen Untergrund und ins Grundwasser verlagert.
Neue Methode zeigt Reinigungspotenzial
Doch wie viel Nitrat tatsächlich in diesen tiefen Aquiferen ankommt und wie viel davon durch natürliche Selbstreinigungs-Prozesse abgebaut wird, war bisher nur schwer nachzuweisen. “Die Prozesse, die sich in den tiefen Bodenschichten abspielen, werden durch unsere üblichen Messvorrichtungen kaum erfasst”, erklärt Kolbe. “Deshalb ist es meist schwer festzustellen, wieviel Stickstoff bis ins Grundwasser und die von ihm gespeisten Flüsse transportiert wird.” Um dies zu ändern, haben Kolbe und ihr Team nun eine Methode entwickelt, die die Nitratmenge auf Basis bestimmter biogeochemischer Reaktionen und ihrer räumlichen Organisation abschätzt.
Dieses Verfahren testeten sie zunächst an einem französischen Aquifer, dann an mehr als 50 weiteren Grundwasserbrunnen in Frankreich und den USA. Dadurch gelang es ihnen besser als bisher, das Reinigungspotenzial des Untergrunds zu bewerten. “Die Methoden, die wir im Rahmen unserer Studie entwickelt haben, lassen uns die Erholungszeiträume für kontaminierte Grundwasserleiter besser abschätzen. Dieses Wissen könnte Verantwortliche in der Umweltpolitik auch vor unrealistischen Erwartungen bewahren”, so Kolbe.
Mikroben der Tiefe helfen beim Abbau
Das überraschende Ergebnis: Viele tiefe Grundwasserleiter können Nitrat offenbar besser abbauen als bisher angenommen. “79 Prozent unserer Probenstellen zeigten einen erhöhten Abbau mit zunehmender Tiefe”, berichten die Forscher. Das spreche dafür, dass bisherige Schätzungen die Selbstreinigungs-Kapazität für Nitrat bei tiefen Aquiferen unterschätzt haben, bei flachen dagegen überschätzt. “Dies ist auch deshalb eine gute Nachricht, weil Trinkwasser häufig aus Grundwasserleitern in großer Tiefe gewonnen wird”, sagt Co-Autor Stefan Peiffer von der Universität Bayreuth.
Doch wie wird das Nitrat im tiefen Grundwasser abgebaut? Kolbe und ihre Koautoren führen das auf die Tätigkeit bestimmter Bakterien zurück. Diese Mikroorganismen nutzen für ihre Atmung statt Sauerstoff Nitrat und wandeln es dabei in gasförmigen Stickstoff um. Allerdings: Dieser Abbauprozess kann nur dann stattfinden, wenn diese Mikroben in ihrer Umgebung eine Energiequelle in Form bestimmter Mineralien wie Eisen- und Schwefelverbindungen vorfinden – und diese Mineralien sind längst nicht überall in der Tiefe vorhanden.
Nicht unerschöpflich
“Die Verfügbarkeit mineralischer Energiequellen für den mikrobiellen Nitratabbau im Untergrund ist endlich und das Schutzpotenzial des Untergrunds damit begrenzt”, warnt Co-Autor Jan Fleckenstein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Deshalb bedeute die neue Erkenntnis keineswegs, dass nun stickstoffhaltiger Dünger bedenkenlos in unbegrenzter Menge auf Ackerflächen ausgebracht werden dürfe.
Denn gelangt zu viel Nitrat in Aquifere, deren Selbstreinigungskraft aus Mangel an diesen Mineralen oder durch einen Überschuss an Nitrat erschöpft ist, dann bleibt es dort für lange Zeit – und kann dann selbst dann noch in Fließgewässer gelangen, wenn die Einträge in den Boden schon längst stark reduziert oder sogar gestoppt wurden.
Quelle: Universität Bayreuth, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1816892116