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Größte Bernsteinblüte der Welt neu untersucht

Erde|Umwelt

Größte Bernsteinblüte der Welt neu untersucht
Bernstein
Symplocos kowalewskii im Bernstein. © Carola Radke/ Museum für Naturkunde Berlin

Die größte bekannte in Bernstein eingeschlossene Blüte misst 2,8 Zentimeter und ist rund 34 bis 38 Millionen Jahre alt – und sie gehört offenbar zu einer anderen Pflanzengattung als bislang angenommen. Das zeigt eine Analyse der Pollen des außergewöhnlichen Exemplars. Während die Blüte bei ihrer Erstbeschreibung im Jahr 1872 als Scheinkamelie klassifiziert wurde, zeigt die aktuelle Studie anhand von Aufnahmen aus dem Rasterelektronenmikroskop, dass sie zur Gattung Symplocos gehört. Die neuen Erkenntnisse geben Einblicke in die Pflanzenwelt des Eozäns und ermöglichen, Rückschlüsse auf das Klima vergangener Zeiten zu ziehen.

Vor rund 34 bis 38 Millionen Jahren, im späten Eozän, befand sich an der Ostsee der sogenannte Bernsteinwald. Den Harz der Bäume dieses Urwaldes findet man heute als baltischen Bernstein. Eine der größten Lagestätten weltweit befindet sich in Kaliningrad im heutigen Russland. Manche der Bernsteine enthalten winzige Einschlüsse von Tieren und Pflanzen aus der Zeit, als das Harz von den Bäumen tropfte. Wie in einer Zeitkapsel wurden die eingeschlossenen Tier- und Pflanzenteile über Jahrmillionen im Bernstein konserviert – und können der Forschung heute Einblicke in die damalige Fauna und Flora geben.

Detailreiche Blüte

Zu den außergewöhnlichsten Fundstücken aus der Bernsteinlagerstätte in Kaliningrad zählt eine 2,8 Zentimeter große Blüte, die im Bernstein dreidimensional und mit feinen Details erhalten geblieben ist. Im Vergleich zu Einschlüssen kleiner Gliederfüßer sind solche Pflanzeneinschlüsse selten. „Nur ein bis drei Prozent aller Einschlüsse aus spät-eozänem baltischem Bernstein sind botanischen Ursprungs“, berichten Eva-Maria Sadowski vom Berliner Museum für Naturkunde und Christa-Charlotte Hofmann von der Universität Wien. „Die vorhandenen botanischen Einschlüsse sind jedoch wertvoll für das Verständnis der Entwicklung von Pflanzenstämmen, ihrer paläobiogeografischen Geschichte und des Herkunftsgebiets des Bernsteins, einschließlich der Lebensräume, der Pflanzenvielfalt und des Paläoklimas.“

Mit ihren fast drei Zentimetern Durchmesser ist die Blüte aus Kaliningrad rund dreimal so groß wie die meisten anderen bekannten Blüteneinschlüsse und gilt damit als die größte in Bernstein konservierte Blume der Welt. Abgesehen von ihrer Größe weist sie eine weitere Besonderheit auf: Aus ihren Staubgefäßen sind zahlreiche Pollen entwichen und ebenfalls im Bernstein konserviert worden. „Eine so große Blüte im Bernstein zu finden, die darüber hinaus genau zum Zeitpunkt der Einbettung ins Harz ihren Pollen entlässt, ist sehr außergewöhnlich“, sagt Sadowski.

Urzeit-Pollen unter dem Elektronenmikroskop

Entdeckt und erstmals beschrieben wurde die Blüte im Jahr 1872. Damals gingen die Wissenschaftler davon aus, dass es sich um eine Scheinkamelie (Stewartia) handelte und gaben ihr deshalb den Namen Stewartia kowalewskii. Später kamen an dieser Zuordnung jedoch Zweifel auf. Sadowski und Hofmann haben die Blüte nun neu analysiert. Um so detaillierte Informationen wie möglich zu gewinnen, kratzten sie einzelne Pollen vorsichtig mit einem Skalpell aus dem Bernstein heraus und untersuchten sie unter dem Rasterelektronenmikroskop. „Nur unter extrem hoher Vergrößerung lassen sich morphologische Details auf den nur mikrometergroßen Pollenkörnern erkennen“, erklärt Hofmann.

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Die Struktur der Pollenkörner sowie die Form der Staub- und Kronblätter der Blüte verglichen die Forscherinnen mit anderen heutigen und ausgestorbenen Pflanzen. Das Ergebnis: Anders als zuvor angenommen gehört die Blüte nicht zu den Scheinkamelien sondern zur Gattung Sympolocos aus der Familie der Symplocaceae. Diese Familie ist im englischen Sprachraum auch als “sweetleaf” bekannt und umfasst Sträucher und kleine Bäume. Statt Stewartia kawalewskii trägt die Blüte von nun an daher den wissenschaftlichen Namen Symplocos kowalewskii.

Einblicke in die Pflanzenwelt des Eozäns

„Dieses Fossil ist der erste Nachweis von Symplocaceae aus baltischem Bernstein“, schreiben die Autorinnen. Heute kommen diese Pflanzen nur noch in tropischen und subtropischen Gebieten in Ost- und Südostasien vor. Im späten Eozän vor 34 bis 38 Millionen Jahren hingegen bot auch Europa ihnen geeignete Lebensbedingungen. Damals war das Klima an der Ostseeküste wärmer und regenreicher als heute, sodass sich ein vielfältiges Ökosystem aus Küstensümpfen, Mooren und gemischten Wäldern entwickeln konnte.

„Unsere neuen Erkenntnisse über diesen einmalig schönen Blüteneinschluss sind ein zusätzliches Puzzleteil, das uns hilft, die Pflanzenwelt des baltischen Bernsteinwaldes weiter zu entschlüsseln und damit Rückschlüsse auf das Klima vergangener Zeiten zu werfen“, sagt Sadowski. „Nur mit solchen Erkenntnissen können wir tiefere Einblicke in die Wälder der Erdgeschichte erlangen und ihren Wandel in der Zeit nachvollziehen.“

Quelle: Eva-Maria Sadowski Museum für Naturkunde, Berlin) et al., Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-022-24549-z

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