Es steht uns ins Gesicht geschrieben: Ob wir Freude, oder aber negative Emotionen wie Ekel oder Angst empfinden, zeigt sich an charakteristischen Merkmalen unserer Mimik. Deutsche Forscher sind nun der Frage nachgegangen, ob man auch Mäusen ansehen kann, was sie gerade empfinden. Sie konnten bestätigen: Auch die Nager zeigen einen jeweils typischen Gesichtsausdruck bei bestimmten Emotionen. Diese Erkenntnis lässt sich nun auch für die Erforschung der neuronalen Grundlagen von Emotionen beim Menschen nutzen, sagen die Wissenschaftler.
„Igitt!“, oder „lecker!“, „Hurra!“, oder „so ein Pech!“… Was einem Mitmenschen gerade durch den Kopf geht, macht sich visuell bemerkbar, denn die Grundzüge der emotionalen Gesichtsausdrücke sind bei allen Menschen gleich. Ekeln wir uns beispielsweise vor etwas, rümpfen wir die Nase, verziehen die Oberlippe asymmetrisch und machen die Augen schmal. Dabei handelt es sich um angeborene Reaktionen, denn schon bei Babys lassen sich die typischen emotionalen Gesichtsausdrücke des Menschen nachweisen. Dazu passend entwickeln wir auch einen Blick für diese Zeichen, der es uns ermöglicht, in den Gesichtern unserer Mitmenschen zu lesen.
Analytischer Blick auf Mäusegesichter
Die Gesichter von Tieren erscheinen uns dagegen meist eher ausdruckslos. Doch wie die Studie der Forscher vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried zeigt, ist die emotionale Mimik nicht nur für den Menschen typisch. Dass sie ausgerechnet bei der Maus genau hingesehen haben, hat einen Grund: Die Nager dienen bei vielen Studien als Modell für den Menschen – so auch bei der Erforschung der neuronalen Grundlagen von Emotionen. Um die Mimik von Mäusen zu untersuchen, haben die Wissenschaftler die Gesichter von Versuchstieren erfasst, als diese bei Experimenten bestimmte emotionale Erfahrung machten. Die jeweiligen Aufnahmen wurden dann durch Verfahren der maschinellen Bildverarbeitung analysiert.
Auf diese Weise konnten die Forscher nachweisen: Das Gesicht einer Maus sieht in charakteristischer Weise anders aus, wenn sie Freude, Ekel, Unwohlsein, Schmerz oder Angst empfindet. Wenn die Tiere beispielsweise eine leicht salzige Flüssigkeit probierten, bildete sich ein “zufriedener” Ausdruck, während eine sehr salzige Lösung eine typische „Ekel-Mimik“ verursachte. „Menschen können dabei nur eine subtile Gesichtsveränderung bei den Nagern erkennen – die Emotion dahinter können wir allerdings nur mit sehr viel Erfahrung zuordnen“, erklärt der Erstautor der Studie Nejc Dolensek. Ihr digitales Analyseverfahren kann die Maus-Emotionen anhand der charakteristischen Muster hingegen problemlos und objektiv erfassen.
Potenzial für die Forschung
Das System ist sogar in der Lage, die relative Stärke der Emotionen zu messen, berichten die Wissenschaftler. Dabei zeigte sich auch, wie dieses Reaktions-Niveau vom Kontext abhängen kann: „Mäuse, die eine Zuckerlösung schleckten, zeigten viel freudigere Gesichtsausdrücke, wenn sie Hunger hatten als wenn sie satt waren,“ berichtet Co-Autorin Nadine Gogolla. Aus diesen und weiteren Versuchsergebnissen geht hervor, dass sich eine bestimmte Emotion qualitativ und quantitativ in der Mimik der Tiere widerspiegelt, resümieren die Forscher.
Dieses Ergebnis konnten sie anschließend weiter untermauern: Durch neurobiologische Verfahren aktivierten sie bei einigen Versuchstieren bestimmte Regionen des Gehirns, von denen eine Rolle bei der Verarbeitung von bestimmten Emotionen bekannt ist. Wie sie berichten, konnten sie auf diese Weise künstlich die jeweiligen emotionalen Gesichtsausdrücke auslösen.
Insgesamt eröffnen die Studienergebnisse damit nun neue Perspektiven in der neurobiologischen Forschung, sagen die Wissenschaftler. Denn durch die Möglichkeit der objektiven Erfassung von Emotionen können Mäuse nun besser als Modell für die Untersuchung der nervlichen Prozesse hinter den Empfindungen dienen. „Mit der von uns entwickelten computergestützten Gesichtsausdrucks-Analyse können wir nun im Bruchteil einer Sekunde die Intensität und Art einer Emotion messen und mit der Aktivität in relevanten Gehirnregionen vergleichen“, sagt Dolensek. Seine Kollegin Gogolla ergänzt: „Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um Emotionen sowie mögliche Störungen in deren Verarbeitung zu erforschen, wie zum Beispiel bei Angststörungen oder Depression.“
Quelle: Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.aaz9468