Ab einem gewissen Alter lässt unsere Leistungsfähigkeit bekanntlich nach und am Ende spricht man von Altersschwäche. Im Vergleich zu anderen Lebewesen macht sich dieser Effekt bei uns allerdings im Rahmen eines recht langen Lebens bemerkbar. Da kann man sich fragen: Inwieweit zeigen sich auch Alterserscheinungen bei Lebewesen, die nur ein paar Wochen leben? Entwickeln auch Insekten wie Grillen gegen Ende ihres kurzen Lebens eine Art Altersschwäche?
“Ähnlich wie Menschen werden auch Grillen alt”, bestätigt Rolando Rodríguez-Muñoz von der University of Exeter. Er und seine Kollegen konnten im Rahmen einer Studie an den prominenten „Wiesenmusikanten“ dokumentieren, dass auch bei kurzlebigen Wildinsekten körperliche Fähigkeiten schwinden, bevor sie sterben. Im Fall der Grillen spiegelt sich dies im Nachlassen beim Zirpen wider und auch darin, dass die älteren Tiere mehr Kämpfe gegen Rivalen verlieren, berichten die Wissenschaftler. Somit wird deutlich: Alt werden kann sich auch im Rahmen von wenigen Wochen abspielen.
Dass auch Insekten altern, war prinzipiell zwar bekannt, bisher war allerdings unklar, inwieweit diese Tiere auch in ihrem natürlichen Lebensraum von einem altersbedingten körperlichen Verfall betroffen sind. In diesem Zusammenhang lag der eigentliche Fokus von Rodríguez-Muñoz und seinen Kollegen auf den Faktoren des Alterns. Konkret gingen sie der Frage nach, ob Individuen mehr Alterungserscheinungen entwickeln, die besonders viel Kraft in die Fortpflanzung investieren. Denn auch bei den Grillen gilt: Es gibt individuelle Unterschiede im Verhalten – Grillen sind kleine Persönlichkeiten, wie bereits frühere Studien gezeigt haben.
Alt – nach ein paar Wochen
Um Einblick in die Lebensgeschichten dieser Insekten zu gewinnen, haben die Wissenschaftler eine Grillenpopulation auf einer Wiese in Spanien ins Visier genommen. Durch ein Netzwerk aus über 130 Videokameras beobachteten die Forscher das Verhalten vieler einzelner Tiere, denen sie kleine Identifikationsschildchen verpasst haben. So war es möglich, das Verhalten und die Leistungen der Individuen in Bezug zu ihrem Alter zu setzen. “Wir konnten dadurch zeigen, dass diejenigen Tiere, die zu Beginn des Lebens besonders viel Energie in die Fortpflanzung steckten, Anzeichen eines schnelleren Abfalls ihrer Leistungsfähigkeit im Rahmen des Alterns aufwiesen”, resümiert Rodríguez-Muñoz.
Die Studie trägt damit letztlich zur Erforschung eines großen Rätsels in der Biologie bei: Warum altern Lebewesen überhaupt? Bisher gibt es dazu zwar Theorien, aber keine umfassenden Antworten. “Früher glaubte man, dass der Alterungsprozess unvermeidlich sei”, sagt Co-Autor Tom Tregenza von der Universität Exeter. Aber mittlerweile geht man davon aus, dass es sich um eine Art Programm handelt, das sich im Rahmen der Evolution entwickelt hat. Dabei gilt: Das Individuum spielt eine untergeordnete Rolle – die Hauptsache ist, dass ein Tier möglichst erfolgreich sein Erbgut weitergeben kann. In diesem Zusammenhang gibt es die Theorie, wonach es für die Weiterentwicklung des Lebens vorteilhafter ist, wenn sich Individuen im Rahmen der Fortpflanzung verbrauchen, anstatt Ressourcen zu nutzen, um den eigenen Organismus möglichst lange zu erhalte.
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