Die Wissenschaftler um Fernando Nottebohm gingen von der Frage aus, wie Lebewesen, die vergleichsweise kleine Hirne, aber eine relativ lange Lebensdauer haben ? wie eben Singvögel, die mehr als 20 Jahre alt werden können ? mit ihrem Gedächtnisspeicherplatz auskommen. Sie nahmen an, dass viele Neuronen immer wieder erneuert werden. Nur einige bleiben über lange Zeit erhalten und schaffen somit das Langzeitgedächtnis.
Die anderen sterben nach drei bis fünf Wochen ab. Dann fragten sich Nottebohm und seine Kollegen, ob der Neuaufbau der Nervenzellen in einem Zusammenhang mit dem sozialen Leben der Vögel stehe. Hierzu injizierten die Forscher einigen Zebrafinken Thymidin, eine radioaktive Substanz, durch die die Bildung neuer Nervenzellen sichtbar gemacht und verfolgt werden kann.
Sie teilten die Zebrafinken in drei Gruppen: Einige wurden jeweils allein eingesperrt, andere kamen zusammen mit einem Zebrafink des anderen Geschlechts zusammen in einen Käfig, und eine dritte Gruppe wurde zu einer großen Gruppe von 45 anderen Zebrafinken getan.
Nach 40 Tagen untersuchten die Forscher drei Regionen in den Vogelhirnen, die mit dem Singvermögen, der Kommunikation und der Gedächtnisleistung in Zusammenhang standen. Nach den 40 Tagen zeigte sich, dass die Finken, die zusammen mit 45 anderen Artgenossen zusammengesperrt waren, etwa 30 Prozent mehr neue Nervenzellen gebildet hatten. Vor allem bei den männlichen Zebrafinken, denen der Gesang gegeben ist, hatten sich doppelt so viele Nervenzellen in den für die Kommunikation zuständigen Gehirnregionen gebildet.
In früheren Studien war bereits festgestellt worden, dass Tiere, die sozial organisiert sind, ein besseres Gedächtnis haben, wenn sie in einer Gruppe leben als wenn sie allein sind. Doch bisher hat niemand das Absterben, den Neuaufbau und das Überleben von Nervenzellen in den Tierhirnen damit in Verbindung gebracht, ob die Tiere Geselligkeit leben oder ob sie von ihren Artgenossen isoliert sind.