Das Herbizid Glyphosat wird weltweit häufig eingesetzt, ist aber wegen möglicher Gesundheits- und Umwelteffekte stark umstritten. Chemiker haben nun einen chemischen Spezialfilter entwickelt, der das Pflanzenschutzmittel selektiv aus Wasser entfernen kann. Dabei halten aktive Zentren in einer metallorganischen Gerüstverbindung das Herbizid fest. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, Glyphosat-Kontaminationen aus Trinkwasser und Abwässern zu entfernen.
Glyphosat ist das global am häufigsten genutzte Pflanzenschutzmittel – es macht rund 60 Prozent des gesamten weltweit eingesetzten Herbizidvolumens aus. Kein Wunder daher, dass Glyphosat längst auch in Böden, Gewässern und der Nahrungskette präsent ist. Gerade deshalb ist der Einsatz dieses Pestizids jedoch stark umstritten. Denn es mehren sich die Indizien dafür, dass das Organosphosphat bei verschiedenen Organismen Fehlbildungen und Nervenschäden hervorrufen kann, außerdem steht es im Verdacht, krebserregend zu sein.
Metallorganisches Gerüst als Glyphosat-Fänger
Jetzt könnte eine neue Technik dabei helfen, Glyphosat-Kontaminationen aus dem Wasser zu entfernen – beispielsweise bei der Trinkwasseraufbereitung. Kernbestandteil der von Shaghayegh Naghdi von der Technischen Universität Wien und ihren Kollegen entwickelten Methode ist eine metallorganische Gerüstverbindung (MOF). Diese porösen Feststoffe bestehen aus einem organischen Kohlenwasserstoff-Gerüst, in das Metallionen über Komplexbindungen eingeklinkt sind. Durch ihre schwammartige Struktur besitzen diese Molekülkomplexe eine besonders große Oberfläche von bis zu 7000 Quadratmeter pro Gramm.
“Das bedeutet, dass in einem Gramm MOF ein ganzes Fußballfeld Platz findet”, erklärt Seniorautor Dominik Eder von der TU Wien. “Folglich können in den Poren viele Moleküle adsorbiert werden, was MOFs zu idealen Materialien macht, um Moleküle wie CO2, anorganische Salze und organische Schadstoffe direkt aus der Luft oder Wasser zu binden.” Hinzu kommt: Abhängig davon, welche Ionen und Moleküle in diese Gerüstmoleküle eingeklinkt werden, binden die MOF selektiv nur bestimmte Substanzen und halten sie in ihren Poren fest. “Stellen Sie sich MOFs wie ein großes Gebäude vor, das aus einzelnen kleinen Blöcken besteht”, erklärt Naghdi. “Jeder Block besteht aus Metallatomen oder organischen Molekülen, und man setzt sie wie ein Puzzle zusammen, um die gewünschten Funktionen zu erreichen.”
Effektive Adsorption
Genau dies haben Naghdi und ihre Kollegen nun genutzt, um einen selektiven “Filter” für Glyphosat zu konstruieren. Als Ausgangsbasis verwendeten sie die Gerüstverbindung MIL-125-Ti, die Titan-Ionen im Gitter enthält. Unter normalen Bedingungen sind die Poren dieses MOF jedoch zu eng für eine effiziente Adsorption des Glyphosats. Um dieses Problem zu lösen, haben die Chemiker eine Strategie entwickelt, um zusätzliche Poren mit einem Durchmesser von bis zu zehn Nanometern in ihr MOF einzubauen. Dafür verringerten die Chemiker selektiv die Zahl der organischen Verbindungsstreben im Gerüst. Dies schafft nicht nur mehr Platz für das Glyphosat, es fördert auch die Bildung zusätzlicher aktiver Bindungsstellen für das Herbizid.
Das Ergebnis ist eine metallorganische Gerüstverbindung, die Glyphosat selektiv und effizient aus Wasser entfernen kann. Erste Tests ergaben, dass das neue Material in nur 20 Prozent der Zeit dreimal so viel Glyphosat aufnehmen kann wie das derzeit beste Adsorptionsmittel. “Gleichzeitig sind die Bindungen schwach genug, um Glyphosat mit einer einfachen Natriumchlorid-Salzlösung wieder zu entfernen, sodass diese MOFs mehrfach verwendet werden können”, sagt Eder. Die Forschungsgruppe plant, weitere MOFs zu entwickeln, mit denen noch andere Schadstoffe adsorbiert oder umgewandelt werden können.
Quelle: Technische Universität Wien, Fachartikel: Advanced Functional Materials, doi: 10.1002/adfm.202213862)