Zum Altern trägt offenbar ein „schlampigeres“ Ablesen von Genen bei, geht aus einer Studie hervor: Mit zunehmendem Alter werden Erbinformationen beschleunigt umgesetzt, wodurch die Qualität der Genprodukte leidet. Dies geht aus einer Untersuchung der Transkriptionsprozesse bei vier Modell-Tierarten sowie menschlichen Zellkulturen hervor. Es zeichnen sich zudem Möglichkeiten ab, die Beschleunigung und damit den Alterungs-Effekt einzuschränken, berichten die Wissenschaftler.
Wir werden geboren, entwickeln uns und ab einem gewissen Alter beginnt dann bekanntlich ein Abbauprozess. So selbstverständlich uns das Altern auch erscheinen mag, aus wissenschaftlicher Sicht wirft es viele Fragen auf. Klar ist: Eine der Grundlagen bildet die zunehmende Beeinträchtigung der Prozesse auf zellulärer Ebene. Mit zunehmendem Alter sinken Konzentration und Qualität von Eiweißmolekülen, die als Bausteine fungieren oder Funktionen in Zellen und dem ganzen Körper erfüllen. Die Herstellung dieser Proteine beruht dabei auf der Umsetzung der in den Genen codierten Informationen.
Molekularen Aspekten des Alterns auf der Spur
Es war bereits bekannt, dass sich diese sogenannte Genexpression mit dem Alter verändert, wobei auch Beeinträchtigungen der Kontrollfunktionen dieses Prozesses eine Rolle spielen können. Gemeint ist dabei die sogenannte Transkription: Bei diesem Ableseprozess werden genetische Informationen in eine Form gebracht, die der zellulären Maschinerie als Bauanleitung für die Protein-Herstellung dient. Bisher blieb allerdings unklar, inwieweit sich der Transkriptionsprozess mit dem Alter tatsächlich ändert und welche Folgen dies für den Organismus haben könnte.
Diesen Fragen sind nun sechs deutsche Wissenschaftlerteams im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts zur Alterungsforschung nachgegangen. So konnten sie Ergebnisse vereinigen, die von gleich fünf Lebewesen stammen: Fadenwürmern, Taufliegen, Mäusen, Ratten und Menschen. „Nur durch die Kombination unseres Fachwissens war es möglich, so viele Lebewesen und Arten von Daten zu untersuchen“, sagt Seniorautor Andreas Beyer von der Universität zu Köln. Die Ergebnisse basieren zum Großteil auf modernen molekulargenetischen Methoden, die auch Rückschlüsse auf die Dynamiken bei Transkriptionsprozessen zulassen.
Schnell – aber nachlässig
Man könnte meinen, dass sich mit zunehmendem Alter Prozesse verlangsamen – doch auf molekularer Ebene ist offenbar das Gegenteil der Fall, wie die Forscher herausgefunden haben: Die durchschnittliche Geschwindigkeit nimmt zu, mit der bei der Transkription das Ableseprodukt – die Boten-RNA – wächst. Konkret: Das dafür verantwortliche Protein, die RNA-Polymerase-II, hängt mit zunehmendem Alter schneller Nukleotide an den RNA-Strang. Diesen Effekt konnten die Wissenschaftler bei allen fünf untersuchten Arten nachweisen. Zudem zeigte sich, dass dieses erhöhte Tempo mit einem Rückgang der Qualität solcher Genkopien verbunden ist. Es zeichnen sich „schlampig“ erzeugte Produkte ab – die Forscher stellten etwa eine erhöhte Bildung von zirkulären RNAs fest.
Das Team konnte außerdem zeigen, dass sich Geschwindigkeit und Genauigkeit des Ableseprozesses beeinflussen lassen. Interessanterweise ermöglichten dies Maßnahmen, die bereits dafür bekannt sind, dass sie zur Verlängerung der Lebensspanne von Organismen beitragen können: Ernährungseinschränkung oder Eingriffe in den Insulin-Stoffwechsel. „Dass Intervention, wie eine verminderte Kalorienaufnahme, sich auch auf molekularer Ebene in Form einer qualitativ besseren Gen-Ablesung positiv auf einen gesunden Alterungsprozess auswirken, konnten wir mit unserer Studie nun klar belegen“, sagt Beyer.
Außerdem konnte die Wissenschaftler zeigen, dass sich die Lebensdauer von Fliegen und das Teilungspotential menschlicher Zellen steigern lässt, wenn sie durch bestimmte Manipulationen das Ablesetempo gezielt verringerten. Damit zeichnet sich nun weiteres Potenzial für die Alterungsforschung sowie für die Medizin ab, sagen die Forscher: „Unsere Ergebnisse decken grundlegende molekulare Mechanismen auf, die der Alterung von Lebewesen und Eingriffen zur Verlängerung der Lebensdauer zugrunde liegen, und geben damit Hinweise auf mögliche Maßnahmen, wie wir in Zukunft zu einem gesunden Altern beitragen können“, so Beyer abschließend.
Quelle: Universität zu Köln, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-023-05922-y