Doch die intelligenten Tiere waren offenbar in der Lage, sich Alternativen zu eröffnen: Sie machten nun zunehmend Jagd auf die Schwärme der Sandaale, deren Bestandsdichten im Gegensatz zu denen der Heringe zunahmen. Bei der Jagd auf Herings- und Sandaalschwärme setzten die Buckelwale bis 1980 stets die gleiche Technik ein: Sie schwimmen unter einen Schwarm und umkreisen ihn. Dabei geben sie Luftblasen durch ihr Atmungsorgan ab. So werden die Fische gleichsam in einem Netz aus aufsteigenden Blasen gefangen und zusammengetrieben. Anschließend schwimmt der Wal mit offenem Maul durch die Mitte des Blasen-Netzes und saugt die Beutetiere samt einem riesigen Schluck Wasser in sein Maul. Mit seiner Zunge drückt er dann das Wasser durch das Sieb seiner Barten und kann anschließend die gefangenen Fische hinunterschlucken.
Eine neue Technik macht die Runde
Doch 1980 wurde ein Wal beobachtet, der diesem Konzept etwas hinzufügte, das bis dahin noch nie dokumentiert worden war: Er reckte seine Schwanzflosse aus dem Wasser und schlug mehrmals auf die Wasseroberfläche, bevor er abtauchte und mit der Produktion des Blasenvorhanges begann. Diese Technik wurde als Lobtail Feeding bekannt. Seitdem hat sie sich nach und nach in der Buckelwal Population verbreitet: Heutzutage nutzen sie etwa 40 Prozent der Tiere bei der Jagd auf Sandaale, berichten die Forscher um Luke Rendell von der University of St. Andrews. Die Forscher gehen davon aus, dass Sandaale im Gegensatz zu Heringen besonders intensiv auf das Schlagen mit der Schwanzflosse reagieren. Vermutlich rotten sie sich durch den Einfluss der bedrohlichen Druckwellen enger zusammen und werden so zu einem kompakteren Happen für den Wal.
Die Ergebnisse der Wissenschaftler fußen auf langjährigen Beobachtungsdaten des Personals von whale-watching Booten im Gulf of Maine an der Ostküste der USA, die im Sommer Touristen zu den Buckelwalen bringen. Die Ausbreitung der Jagdtechnik über den Verlauf von 30 Jahren hinweg folgt einem klaren Muster, zeigten die Datenanalysen: Das Lobtail Feeding wird im sozialen Netzwerk der Tiere. Wie genau die Wale diese Techniken von einander erlernen, bleibt noch unklar. Die Forscher sind sich aber sicher: Wale pflegen hochentwickelte soziale Beziehungen, die dies ermöglichen. So entsteht bei den Meeresriesen also eine Art Kultur, sagen Rendell und seine Kollegen. Ihreren Angaben nach kann die Verbreitung dieser Verhaltensweise dagegen nicht auf genetischen Ursachen basieren – denn sie wird auch unter Nicht-Verwandten weitergegeben – oder dadurch, dass jedes einzelne Tier hinter den Trick kommt.