Der Körper eines Zitteraals ist mit einer Vielzahl elektrischer Organe besetzt. Diese umgebildeten Muskeln können hohe Spannungen freisetzen und elektrische Felder generieren. Je nach Situation nutzen Zitteraale verschiedene Intensitäten: Mit hohen Spannungen bringen sie Beute zum unkontrollierten Krampfen und hindern sie so an der Flucht. Schwächere Impulse nutzen die Fische dagegen für die Orientierung. Mithilfe von Elektrorezeptoren bemerken sie, wenn das von ihnen produzierte elektrische Feld durch Objekte in der Nähe verändert wird. Sie können die Störquelle lokalisieren und sich auf diese Weise ein Bild von ihrer Umgebung machen.
Doch offensichtlich spielen nicht nur die schwachen, sondern auch die starken Ladungen eine bedeutende Rolle für die Sinneswahrnehmung der Zitteraale. Sie fungieren demnach sowohl als Waffe, dienen aber gleichzeitig auch der schnellen sowie präzisen Ortung von Beutetieren, wie Kenneth Catania herausgefunden hat. „Diese zweite Funktion der Hochspannungsimpulse ist bisher übersehen worden”, sagt der Biologe von der Vanderbilt University in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee.
Siebter Sinn funktioniert auch allein
Catania hat mithilfe von Experimenten untersucht, ob Zitteraale die starken Impulse auf der Jagd für die Lokalisierung ihrer Beute nutzen. Dafür hat er Zitteraale toten Beutetieren ausgesetzt. Diese bewegten sich, wenn ein Strom durch sie hindurch floss. Seine Ergebnisse hat der Wissenschaftler nun im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.
Catania konnte zeigen: Zitteraale sind mithilfe ihrer Hochspannungssalven in der Lage, Beutetiere zu finden und zu verfolgen. Das funktioniert sogar dann, wenn zusätzliche Sinne keine Unterstützung leisten – zum Beispiel weil Dunkelheit die Sicht einschränkt oder die Beute sich nicht bewegt. Allein durch diesen siebten Sinn können Zitteraale demnach Lebewesen als elektrische Leiter identifizieren und orten.
Mit mehr Reichweite zum Erfolg
Im Gegensatz zu den schwachen Entladungen hat die Elektroortung mithilfe der Hochspannung laut Catania eine größere Reichweite – ein nützlicher Vorteil bei der Verfolgung schneller Beutefische. Hat ein Zitteraal sein Ziel mit dem ersten Angriff nicht getroffen, kann er die fliehende Beute simultan orten und weiterhin versuchen, sie zu immobilisieren. Catania vergleicht dieses Jagdverhalten mit dem von Fledermäusen. Diese setzen Echoortung ein, um beispielsweise Insekten aufzuspüren. Dabei stoßen sie Rufe von immer höher werdenden Frequenzen aus, je näher sie ihrer Beute kommen. Das macht eine exakte Lokalisierung möglich.
Die Fähigkeit Beute gleichzeitig zu orten und bewegungsunfähig zu machen, sei eine ungewöhnliche dichotome Funktion der bisher nur als Waffe berüchtigten Hochspannungsstromschläge, schreibt Catania. „Zitteraale sind damit nicht nur exzellente Jäger, sondern auch einzigartige Sensorik-Spezialisten.”