Effektive Strafverfolgung ist gefragt, um den Raubbau an den Ökosystemen der Meere einzudämmen. Doch wie lassen sich illegale Fischer in den Weiten der Ozeane ausfindig machen? Dabei könnte es nun tierische Unterstützung geben: Forscher haben Albatrosse zu Wächtern ihres eigenen Lebensraums gemacht. Mit einem „Spionagegerät“ ausgerüstet, können die weit reisenden Vögel Hinweise auf illegale Fischerboote liefern, zeigt das Pilotprojekt.
Der Hunger der Menschheit nach Fisch ist gewaltig – auf Dauer können die Ozeane den Nachschub für die Fischerei aber bekanntlich nicht leisten: Viele Fischbestände sind bereits kritisch überbelastet und auch das Problem des Beifangs von nicht beabsichtigten Tierarten bringt die aquatischen Ökosysteme in Gefahr. Deshalb werden Fangquoten, Regeln und Schutzgebiete festgesetzt, um die Zukunft der Nahrungsversorgung durch Fisch zu sichern und Schäden an der komplexen Lebenswelt der Ozeane zu vermeiden. Doch dabei gibt es ein Problem: Die hohen Fischpreise machen illegalen Fischfang zu einem lukrativen und leider vergleichsweise sicheren Geschäft. Denn die Gefahr, in den Weiten der Ozeane ertappt und gefasst zu werden, ist für die „Wilderer auf See“ gering. Bessere Methoden zur Strafverfolgung sind deshalb gefragt.
Albatrosse fliegen Patrouille
Vor diesem Hintergrund hat ein internationales Forscherteam nun das Projekt „Ocean Sentinel“ – „Ozean-Wächter“ – ins Leben gerufen. Die Idee ist dabei, Tiere der Ozeane mit Geräten auszurüsten, die bestimmte Informationen über ihren bedrohten Lebensraum liefern können. Als Informanten über Entwicklungen in der Fischerei kamen besonders Vertreter einer Gruppe von Seevögeln infrage: der Albatrosse. Bei der Nahrungssuche auf offener See legen diese majestätischen Tiere mit ihren Flügelspannweiten von über 3,50 Metern enorme Strecken zurück. Dabei werden sie aus großen Entfernungen von Fischerbooten angezogen. Denn obwohl sich die Vögel dort in Leinen oder Netzen verheddern können, locken sie doch die Aussichten, etwas vom Fang abzubekommen.
Im Rahmen ihrer aktuellen Pilotstudie haben die Forscher um Henri Weimerskirch von der CNRS–Université de la Rochelle nun ausgelotet, inwieweit sich die Reisefreude und das Interesse für Fischerboote der Albatrosse für die Überwachung der Fischerei eignet. Sie haben dazu rund 170 Vögel von Inseln im südlichen Indischen Ozean mit speziellen Geräten ausgerüstet, die etwa 65 Gramm wiegen. Sie verfügen über einen GPS-Sender zur Lokalisierung und über speziell entwickelte Miniatur-Radardetektoren, die Signale von Booten erfassen können.
Hinweise auf illegale Fischerei
Wie die Forscher berichten, scannten ihre 170 geflügelten Wächter insgesamt ein Gebiet von mehr als 47 Millionen Quadratkilometern des Südlichen Ozeans. Sie erfassten dort auch tatsächlich viele Fischerboote. Doch wie lässt sich feststellen, ob es sich um legalen oder illegalen Fischfang handelt? Wie die Forscher erklären, liefern die Daten dazu deutliche Hinweise. Legale Fischerboote nutzen ein automatisches Identifikationssystem (AIS), das ihre Position im Meer über ein Überwachungsnetzwerk sichtbar macht. So können etwa Kollisionen im Schiffsverkehr vermieden werden. Beim illegalen Fischfang schalten die Fischer dieses System jedoch oft ab, um unerkannt zu bleiben. Ihr Radarsystem nutzen sie hingegen weiterhin zur Navigation.
Wenn nun ein Wächter-Albatros ein Fischerboot anhand des Radarsignals aufspürt und die Positionsdaten über Satellit an die Zentralstation übermittelt, können die Forscher dort checken, ob das Boot an dieser Stelle auch im automatischen Identifikationssystem gelistet ist. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um illegalen Fischfang, erklären die Wissenschaftler. Wie sie berichten, lieferten die Auswertungen ihres Projekts auf diese Weise erste Anhaltspunkte über das Ausmaß des illegalen Fischfangs in der Region: Die Forscher stellten fest, dass mehr als ein Drittel der in internationalen Gewässern angetroffenen Fischerboote nicht identifiziert werden konnte.
„Es zeichnet sich somit ein großes Potenzial für den Einsatz von weit reisenden Seevögeln als Wächter der Ozeane ab“, resümieren die Wissenschaftler. Obwohl die Tiere für ihren unfreiwilligen Dienst etwas belastet werden müssen, scheint ihre Funktion letztlich auch in ihrem eigenen Sinne zu sein: Sie leisten einen Beitrag zum Schutz ihres bedrohten Lebensraums.
Quelle: CNRS, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1915499117