Müde oder gelangweilt zeigt der Mensch ein typisches Verhalten: Reflexartig geht der Mund auf ? wir gähnen. Doch warum? Zwei US-Forscher haben nun Beweise für eine Theorie geliefert, die Wissenschaftler bereits 2007 erstmals aufgestellt haben: Gähnen helfe dabei, die Temperatur des Gehirns zu verringern. Andrew Gallup von der Princeton University und Omar Eldakar von der University of Arizona haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Gähnens und den Jahreszeiten beziehungsweise der Lufttemperatur gibt ? im Sommer gähnen Menschen weniger als im Winter. Die Erklärung: Wenn es warm ist, schwindet der kühlende Effekt und das Gähnen wird zunehmend überflüssig.
Die Kühl-Theorie geht davon aus, dass das Gehirn ähnlich wie ein Computer bei tieferen Temperaturen besser arbeiten kann. Das Gähnen soll dabei dem müden Denkorgan gleichsam einen Schubs verpassen: Das aufreißen des Mundes bringt kühle Luft zu Blutgefäßen im Rachen, wodurch über den Blutfluss ein Kühlungseffekt für das Gehirn entsteht, sagen Andrew Gallup, der bereits an der ersten Studie beteiligt war, und Omar Eldakar. Die Arbeits-Hypothese der Forscher lautete nun: Wenn Gähnen tatsächlich kühlen soll, könnte die Lufttemperatur bei der Frequenz des Gähnens eine Rolle spielen ? bei Hitze müsste sie sich verringern.
Um diese Vermutung zu belegen, testeten die Wissenschaftler insgesamt 160 zufällig ausgewählte Fußgänger in der Stadt Tucson in Arizona. Sie nutzten dabei eine bekannte Eigenschaft des Gähnens: seine Ansteckungskraft. Sie zeigten den Fußgängern zu verschiedenen Jahreszeiten Bilder von gähnenden Menschen und dokumentierten, wie oft sich die Probanden zum Gähnen anstecken ließen.
Ergebnis: Im Winter, mit Durchschnittstemperaturen von 22 Grad Celsius, gähnten 45 Prozent der Studienteilnehmer. Im heißen Sommer Arizonas, wenn die Temperaturen häufig 37 Grad Celsius erreichen, waren es dagegen nur 24 Prozent. Die Temperatur erwies sich also als maßgeblicher Einflusswert für die Ansteckungskraft Gähnens: Eine Lufttemperatur, die ungefähr gleich warm oder wärmer als der menschliche Körper ist, animiert offenbar weniger zum Gähnen, als niedrigere Temperaturen. Dieses Ergebnis fügt sich Gallup und Eldakar zufolge nun perfekt in die Kühl-Theorie ein: Bei Hitze hat Gähnen keinen Kühlungseffekt für das Gehirn, bei kühlen Verhältnissen dagegen schon.
Andrew Gallup und Omar Eldakar (Princeton University): Frontiers in Evolutionary Neuroscience, doi: 10.3389/fnevo.2011.00003 wissenschaft.de ? Christian Mertens