Fisch gilt als gesund und ist als leichte Kost und Alternative zum Fleisch beliebt – auch hierzulande. Nord- und Ostsee und auch der nahe Atlantik bieten reiche Fischgründe – eigentlich. Doch unser Hunger auf Fisch und Meeresfrüchte ist größer als das, was die Natur nachproduzieren kann. Als Folge gelten fast die Hälfte der Fischbestände in EU-Gewässern als überfischt und einige Speisefischarten kämpfen um ihr Überleben.
Importiert statt bei uns gefischt
Um die große Nachfrage an Fisch dennoch zu decken, werden rund 87 Prozent des hierzulande verzehrten Fisches eingeführt – oft aus den Gewässern von Entwicklungsländern. “Deutschland kann sich nur vier Monate lang selbst mit Fisch versorgen, für den Rest des Jahres essen wir importierten Fisch, der oft anderswo fehlt”, erläutert Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF. “Die Überfischung der europäischen Bestände ist dafür mitverantwortlich.”
Um auf dieses Missverhältnis aufmerksam zu machen, ermittelt die New Economics Foundation (NEF) jedes Jahr für die EU und ihre Mitgliedsländer, wann die Bevölkerung allen Nachschub aus heimischer Fischerei aufgezehrt hätte. Für die gesamte EU liegt dieser “Fish Dependence Day” im Moment Anfang Juli. Das bedeutet, dass die EU nur die Hälfte allen Fischs, der von ihrer Bevölkerung verzehrt wird, selbst produziert.
Ab 29. April essen wir Fisch “auf Pump”
Für Deutschland liegt dieser Tag sogar noch früher: Schon am 29. April haben wir die Vorräte aus eigener Fischerei aufgezehrt. Damit liegen wir deutlich früher als unser Nachbarn Frankreich und Polen, die beide “erst” Ende Mai ihren Fish Dependence Day haben. Die Niederlande schaffen es sogar inzwischen wieder, das gesamte Jahr mit eigenen Ressourcen auszukommen, Belgien dagegen hat schon am 18. Februar die eigenen Fischereierträge aufgezehrt.
“Europa hat hochproduktive Meere, allerdings müssten wir besser damit umgehen und Fischerei nachhaltig betreiben”, fordert WWF-Expertin Nemecky. Deutschland könnte sich drei Monate länger selbst mit Fisch aus eigener Fischerei versorgen, wenn nur 43 der Fischbestände im Nordost-Atlantik bis zur gesunden Größe wiederaufgebaut und nachhaltig bewirtschaftet würden.
Unser Hunger fördert Raubbau anderswo
Der “Fish Dependence Day” verdeutlicht auch, wie abhängig wir Europäer, aber auch andere Industrieländer inzwischen von Importen aus ärmeren Regionen der Erde geworden sind. Nach Schätzungen der NEF kamen bereits 2007 rund die Hälfte aller weltweit gehandelten Fischprodukte aus Entwicklungsländern. Das aber bedeutet: Unser Fischhunger fördert den Raubbau an der Meeresumwelt anderswo.
“Angesichts der Überfischung in eigenen Gewässern ist der große Appetit der Europäer auf Fisch weder nachhaltig noch fair”, sagt Nemecky. “Mit der hiesigen Nachfrage steigt der Fischereidruck in anderen Teilen der Welt. Wir exportieren Überfischung und beeinflussen damit auch das Leben von Menschen, die stärker von Fisch abhängig sind als wir.” Laut einer WWF-Prognose werden sich Millionen Menschen im globalen Süden ihr Grundnahrungsmittel Fisch im Jahr 2050 nicht mehr leisten können – sie werden ihn exportieren statt ihn essen.
Was aber können wir Einzelnen tun, um diese Lage zu ändern? Ein Ansatz ist der bewusstere Konsum: Nach Ansicht des WWF hilft es beispielsweise schon, wenn wir Fisch als Delikatesse und nicht als alltägliches Konsumgut zu betrachten. Wenn wir Fisch kaufen, sollten wir uns zudem für nachhaltige Produkte entscheiden, Hilfen dazu gibt unter anderem der WWF Fischratgeber.
Quelle: NEF, WWF World Wide Fund For Nature