Sind die Bedingungen zu trocken, zu salzig oder zu kalt, wachsen die meisten Pflanzen schlechter und gehen schließlich ein. Das Extremgewächs Schrenkiella parvula hingegen gedeiht unter eigentlich tödlichen Bedingungen sogar besser. Eine neue Studie zeigt nun, dass dafür ein Pflanzenhormon eine wichtige Rolle spielt, das als Reaktion auf Umweltstress ausgeschüttet wird. Während es anderen Pflanzen das Signal zum Ressourcensparen gibt, regt es bei Schrenkiella parvula das Wachstum an. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, ähnliche Signalwege in Nutzpflanzen zu etablieren, sodass diese toleranter gegenüber extremen Umweltbedingungen werden.
Der Klimawandel sorgt dafür, dass Nutzpflanzen vielerorts mit immer ungünstigeren Bedingungen zurechtkommen müssen. Wetterextreme wie lange Hitze- und Trockenperioden mehren sich und gefährden die Ernten herkömmlicher Nahrungspflanzen. Sowohl mit Methoden klassischer Pflanzenzüchtung als auch mit Hilfe grüner Gentechnik arbeiten Forscher deshalb daran, Pflanzen zu entwickeln, die Extrembedingungen besser aushalten können. Dabei sind Erkenntnisse über sogenannte Extremophyten hilfreich, also über Pflanzen, die von Natur aus unter extremen Bedingungen wachsen.
Wachstum unter Extrembedingungen
Mit einer solchen Extrempflanze hat sich ein Team um Ying Sun von der Stanford University in Kalifornien nun näher auseinandergesetzt. Die Forscher untersuchten Schrenkiella parvula, ein Gewächs aus der Familie der Kreuzblütler, das unter anderem in der Türkei an den Ufern des extrem salzreichen Tuz-Sees heimisch ist. Mit einem Salzgehalt von 32,9 Prozent – fast zehnmal so viel wie die Nordsee – zählt der Tuz-See zu den salzreichsten Seen der Welt, und entsprechend salzig ist der Boden im Uferbereich.
Schrenkiella parvula hat sich offenbar so entwickelt, dass sie unter diesen Bedingungen nicht nur überlebt, sondern sogar schneller wächst, zeigen Sun und ihr Team. „Die meisten Pflanzen produzieren als Reaktion auf extreme Bedingungen ein Stresshormon, das wie ein Stoppsignal für das Wachstum wirkt“, erklärt ihr Kollege José Dinneny. Bei vorübergehend unwirtlichen Bedingungen ermöglicht der auf diese Weise verringerte Ressourcenverbrauch, dass eine Pflanze überlebt, bis die Bedingungen wieder besser sind. „Aber bei diesem Extremophyten wirkt das Stresshormon wie ein Startsignal“, so Dinneny. „Als Reaktion darauf beschleunigt die Pflanze ihr Wachstum.“
Gleiches Hormon, andere Wirkung
Um herauszufinden, warum das Stresshormon bei Schrenkiella parvula eine andere Wirkung hat als bei anderen Pflanzen, analysierten Sun und ihr Team sowohl das Genom des Extremophyten im Vergleich zu verwandten Kreuzblütlern wie Kohl, Brokkoli, Rüben und Raps als auch die beteiligten Hormonsignalwege. Wie sich zeigte, liegt der Hauptunterschied in der Reaktion auf Umweltstress nicht in der Genetik von Schrenkiella parvula begründet, sondern in einem veränderten Hormonsignalweg in Reaktion auf das Hormon Abscisinsäure (ABA).
Während ABA bei anderen Kreuzblütlern Gene aktiviert, die das Wachstum verlangsamen oder stoppen, aktiviert es bei Schrenkiella parvula Gene, die für verstärktes Wachstum sorgen. „Diese Neuverdrahtung des Netzwerks erklärt zumindest teilweise, warum wir diese unterschiedlichen Wachstumsreaktionen bei stresstoleranten Arten erhalten“, so Dinneny. Die Forscher hoffen, eine solche Neuverdrahtung nach dem Vorbild des Extremophyten auch in Nutzpflanzen einbringen zu können und sie auf diese Weise stresstoleranter zu machen. „Angesichts des Klimawandels können wir nicht erwarten, dass die Umwelt gleich bleibt“, sagt Ying Sun. „Unsere Nutzpflanzen müssen sich an diese sich schnell verändernden Bedingungen anpassen. Wenn wir die Mechanismen verstehen, die Pflanzen zur Stresstoleranz nutzen, können wir ihnen helfen, dies besser und schneller zu tun.“
Landwirtschaftliche Perspektiven
Eine erhöhte Stresstoleranz wäre nicht nur für Nahrungspflanzen erstrebenswert, sondern auch zur Produktion von Biokraftstoff aus Ölsaaten wie Raps. „Man könnte Bioenergiepflanzen auf Flächen anbauen, die sich nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln eignen – zum Beispiel auf landwirtschaftlichen Feldern, deren Böden degradiert sind oder die aufgrund unsachgemäßer Bewässerung einen hohen Salzgehalt aufweisen“, so Dinneny. Entsprechend genetisch angepasste Ölpflanzen könnten potenziell auf Flächen angebaut werden, die andernfalls aufgegeben werden müssten.
„Im Rahmen der hier vorgestellten Arbeit haben wir Gene identifiziert, deren Genregulatoren möglicherweise das Ziel einer natürlichen Selektion für Stresstoleranz waren“, schreiben die Autoren. „Somit könnten sie nützliche Kandidaten für die Beeinflussung der Reaktion auf abiotischen Stress durch Gen-Editing sein.“ In zukünftigen Studien wollen Sun und ihr Team weitere Kreuzblütler in die Analysen miteinbeziehen und so herausfinden, inwieweit sich die Erkenntnisse landwirtschaftlich nutzen lassen könnten.
Quelle: Ying Sun (Stanford University, Kalifornien) et al., Nature Plants, doi: 10.1038/s41477-022-01139-5