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Exportproduktion bedroht Lebensräume

Erde|Umwelt

Exportproduktion bedroht Lebensräume
Landwirtschaft
Die Anbaufläche für den Agrarhandel hat weltweit auf über 23 Prozent zugenommen. © Pexels/ Mikhail Nilov

Ob Getreide, Gemüse oder Kautschuk: Der weltweite Handel mit landwirtschaftlichen Gütern wird in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich weiter wachsen. In einer aktuellen Studie zeigt sich, dass der Exporthandel aber schon jetzt in direktem Zusammenhang mit einer schrumpfenden Artenvielfalt steht. Ein weiteres Problem hierbei: Die ökologischen Auswirkungen bekommen hauptsächlich die produzierenden Länder zu spüren, während die Konsumenten weniger betroffen sind.

Der Bedarf an Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird laut aktuellen Prognosen bis zum Jahr 2050 um 35 bis 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2010 steigen. Dies ist zum einen auf das prognostizierte Wachstum der Weltbevölkerung, aber auch auf strukturelle Veränderungen wie Urbanisierung, steigende Pro-Kopf-Einkommen und damit verbundene Veränderungen in der Zusammensetzung der Ernährung zurückzuführen.

„Die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird die Ökosysteme weltweit zusätzlich unter Druck setzen. Die Vereinten Nationen rechnen hier bis 2050 mit einer Zunahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche um voraussichtlich 100 Millionen Hektar“, erklärt Florian Schwarzmüller vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt. „Die Auswirkungen dieser landwirtschaftlichen Expansion auf die biologische Vielfalt sind enorm – schon heute sind mehr als 60 Prozent der Arten, die derzeit auf der Roten Liste als bedroht oder potentiell gefährdet eingestuft werden, direkt von landwirtschaftlichen Aktivitäten betroffen.“

223 Länder, 119 Produkte

Gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Kastner hat Schwarzmüller nun untersucht, wie groß die konkreten Auswirkungen des globalen Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf die biologische Vielfalt sind. Sie verwendeten dafür weltweite Handelsdaten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und konnten so nationale Handelsprofile für insgesamt 223 Länder, 119 produzierte Güter und über einen Zeitraum von 15 Jahren erstellen.

„Die Auswertung der Daten zeigt, dass sich die landwirtschaftlichen Flächen stetig ausweiten, vor allem in tropischen und subtropischen Ländern – auf Kosten von Gebieten mit großer biologischer Vielfalt“, fasst Schwarzmüller zusammen. „Diese Länder exportieren die Güter in die ganze Welt – auch in Regionen, die vor Ort wenig Verlust von natürlichen Habitaten beklagen müssen, wie zum Beispiel Westeuropa, Nordamerika und der Nahe Osten. Über diese Verbindung tragen importierende Länder so aber trotzdem zum fortschreitenden Verlust an für die Artenvielfalt so wichtigen natürlichen Lebensräumen bei – fernab ihrer eigenen Grenzen.“

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Direkter Zusammenhang zwischen Export und Artenverlust

Die Wissenschaftler konnten in ihrer Untersuchung auch zeigen, dass besonders Produkte wie Kaffee, Palmöl, Kautschuk und Sojabohnen einerseits einen sehr hohen Export-Anteil besitzen und andererseits enorm schädlich für die lokale Artenvielfalt sind. Dies hängt laut den Forschern auch damit zusammen, dass diese Produkte in Ländern mit ursprünglich sehr artenreichen Lebensräumen wie Regenwäldern angebaut werden. So exportiert beispielsweise Paraguay 98 Prozent seiner angebauten Sojabohnen, Malaysia 73 Prozent des produzierten Palmöls und die Elfenbeinküste 99 Prozent des dort angepflanzten Kakaos.

Schwarzmüller und Kastner zeigten außerdem, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem vermehrten Anbau für den Export, der Ausweitung der benötigten Agrarfläche und dem Verlust von Habitaten gibt. So ist die nur für Exportgüter verwendete Anbaufläche von 17 Prozent im Jahr 2000 auf 23,5 Prozent der weltweit genutzten Agrarfläche im Jahr 2013 gestiegen. Dazu fanden die Wissenschaftler auch, dass beispielsweise die USA, die EU und Japan 44 Prozent ihres jeweiligen ökologischen Fußabdrucks durch den Import aus anderen Ländern erzeugen und die Regionen Westeuropa und Nordamerika gemeinsam für 48 Prozent des Rückgangs der Artenvielfalt von Vögeln verantwortlich sind.

Ungleichgewicht zwischen Leidtragenden und Konsumenten

„Diese Entwicklung führt zusammen mit dem Anstieg der Inlandsnachfrage zu einer Reihe von problematischen Entwicklungen, wie der Verringerung des Lebensraums von Tier- und Pflanzenarten“, sagt Schwarzmüller. „Sie verstärkt außerdem das Ungleichgewicht zwischen den Ländern, die unter Umweltproblemen leiden und denen, die als Konsumierende von den Exportprodukten profitieren.“ Laut dem Forscher könnten die Ergebnisse der Untersuchung dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht auszubessern. „Unsere Analysen können verwendet werden, um neue Biodiversitätsindikatoren auf nationaler Ebene zu entwickeln, welche die Auswirkungen des internationalen Handels explizit berücksichtigen. Solche Maßzahlen können grenzüberschreitende Vereinbarungen zum Schutz der biologischen Vielfalt unterstützen“, erklärt Schwarzmüller.

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen; Fachartikel: Sustainability Science, doi: 10.1007/s11625-022-01138-7

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