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Europa leuchtet nachts bläulicher

Lichtverschmutzung

Europa leuchtet nachts bläulicher
Europa bei Nacht: Die Karte wurde aus Bildern erstellt, die von der ISS aus mit Digitalkameras aufgenommen wurden. Im Ausschnitt ist Paris gezeigt. © Sánchez de Miguel et al., Sci. Adv. 8, eabl6891 (2022)

Straßenlaterne und Co werden zunehmend mit energiesparenden Weißlicht-Leuchtdioden ausgerüstet. Dadurch hat sich das künstliche Licht in Europa in den letzten zehn Jahren zunehmend ins bläuliche Spektrum verschoben, verdeutlicht eine Studie. Das Ausmaß dieses Trends geht nun erstmals klar aus Auswertungen von Fotos hervor, die von Astronauten auf der ISS gemacht wurden und die auch bisher nicht erfasste Strahlungsanteile abbilden. Die nächtliche Lichtverschmutzung und vor allem der erhöhte Blauanteil können sich negativ auf Mensch und Natur auswirken, betonen die Wissenschaftler.

Wo einst nur Mond und Sterne schimmerten, machen Straßenlaternen und andere menschliche Lichtquellen die Nacht vielerorts zum Tage. Die für uns hilfreiche und oft als angenehm empfundene Helligkeit hat allerdings ihren Preis: Die künstliche Beleuchtung verschlingt nicht nur eine Menge Energie, sie kann auch den Biorhythmus von Mensch und Tier durcheinanderbringen und vor allem Insekten durch fatale Anziehungskräfte schädigen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Lichtverschmutzung. Besonders eindrucksvoll ist sie mit Blick aus dem Weltall erkennbar: Schimmernd zeichnen sich vor allem die dicht besiedelten Bereiche der Welt nachts ab.

Satellitenbilder wurden auch dazu genutzt, um das Ausmaß und die Entwicklungstrends beim nächtlichen Kunstlicht zu untersuchen. Doch wie die Forscher um Alejandro Sánchez de Miguel von der University of Exeter berichten, gibt es dabei ein Problem: Bislang basierten die meisten Studien, die das Ausmaß und die Auswirkungen von künstlichem Nachtlicht untersuchten, auf Daten von Satelliten-Sensoren, die zwar ein breites Lichtspektrum erfassen, aber einen wichtigen Frequenzbereich nicht: den blauen Anteil im Bereich von 380 bis 450 Nanometer.

Bisher eingeschränkter Spektral-Blick

Von diesen Strahlungsbereichen sind allerdings besonders negative Effekte auf den Biorhythmus und die tierische Orientierung bekannt. Außerdem nahm man bereits an, dass die bläulichen Anteile in der Lichtverschmutzung zunehmen. Denn um Energie zu sparen, wurde in den letzten Jahren vielerorts von den herkömmlichen Lichtquellen auf eine Beleuchtung mit “breitem weißen” Spektrum unter Verwendung von Leuchtdioden (LEDs) umgestellt, die mehr kurzwellige Strahlung abgeben.

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Da also die bisherigen Aufnahmen von Satelliten eher eingeschränkte Hinweise auf das Ausmaß der Lichtverschmutzung geben konnten, nutzten de Miguel und seine Kollegen eine ungewöhnlich wirkende Alternative: Fotos, die Astronauten von der ISS aus mit ihren Digitalkameras geschossen haben. Wie die Forscher erklären, stecken in diesen Aufnahmen auch Informationen über die niederfrequenten Strahlungsbereiche. „Wir verwendeten einen Ansatz der synthetischen Photometrie, um die spektralen Eigenschaften der Quellen aus den Farbverhältnissen in den fotografischen Bildern zu schätzen“, schreiben die Forscher. Sie konzentrierten sich dabei auf nächtliche Abbildungen von Europa, die Astronauten von 2012 bis 2013 sowie von 2014 bis 2020 erstellt haben.

Unterschätzter Trend zur Blauverschiebung

Wie die Forscher berichten, dokumentieren ihre Kartierungen nun erstmals detailliert den Trend in der künstlichen Beleuchtung Europas: Zu Beginn des untersuchten Zeitbereichs zeichnet sich ein Strahlungsprofil ab, das noch vergleichsweise stark mit der herkömmlichen Beleuchtung in Verbindung gebracht wird, die oft von Natriumdampf-Hochdrucklampen ausging. Im Verlauf wird dann eine weit verbreitete Spektralverschiebung zu dem Profil deutlich, das für die weiß leuchtenden LEDs und die damit verbundenen stärkeren Blauemissionen typisch ist. Besonders ausgeprägt war dieser Trend in Italien, Rumänien, Irland und Großbritannien, berichten die Forscher. In Deutschland und Österreich waren hingegen vergleichsweise geringe Veränderungen zu verzeichnen. Darin spiegelt sich den Wissenschaftlern zufolge die dort bisher weniger ausgeprägte Umstellung auf eine LED-Beleuchtung im öffentlichen Raum wider.

Man könnte meinen, dass durch die Umstellungen auf die sparsamere Lichttechnik jetzt wenigstens Energie eingespart wird. Doch den Forschern zufolge zeichnet sich ab, dass das nicht der Fall ist. Denn die Lichterzeugung und damit wahrscheinlich letztlich auch der Energieverbrauch sind im Zuge der Umstellung vielerorts gestiegen. Eine mögliche Erklärung dafür ist ein “Rebound-Effekt”, schreiben die Forscher: Die Steigerung der Energieeffizienz und der damit verbundene vermeintliche Rückgang der wirtschaftlichen Kosten hat zu einer erhöhten Nachfrage nach Beleuchtung geführt. Unterm Strich wurden dadurch etwaige Einsparungen durch einen erhöhten Lichtverbrauch wieder zunichtegemacht.

Letztendlich ist die Belastung durch Lichtverschmutzung im Zuge der Umstellung auf die neue Beleuchtung in Europa gestiegen, so die Forscher. Ihre Ergebnisse zeigen dabei nun vor allem auf, dass dieser Trend durch die eingeschränkten spektralen Erfassungsmöglichkeiten der Satelliten-Sensoren bisher noch deutlich unterschätzt wurde. Auf der Basis bisheriger Untersuchungen zeigen die Wissenschaftler im Rahmen ihrer Studie auch erneut, wie negativ sich die steigenden Belastungen durch mehr und eher bläuliches Kunstlicht auf Mensch und Natur auswirken können.

Ihr Ansatz könnte nun dazu beitragen, die Entwicklung des Problems genauer zu erfassen. „Systematische, hochauflösende, multispektrale Satellitenbilder für die Nacht wären zwar das Ideal. Doch solange sie nicht zur Verfügung stehen, können Bilder von der ISS eine einzigartige Ressource für die Überwachung und Kartierung von Umweltrisiken durch Lichtverschmutzung darstellen“, schreiben die Forscher.

Quelle: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abl6891

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