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EU könnte Naturschutzziele verfehlen

Erde|Umwelt

EU könnte Naturschutzziele verfehlen
Naturschutzgebiet
Bisher gibt es noch zu wenig Naturschutzgebiete unter strengem Schutz. © Thomas Marx/ iStock

Die EU-Biodiversitätsstrategie sieht vor, dass bis 2030 zehn Prozent der Fläche in der Europäischen Union streng geschützt sind. Bisher ist das allerdings gerade einmal bei 3,37 Prozent der Fall, wie eine aktuelle Studie enthüllt. Dabei handelt es sich außerdem vorrangig um ohnehin vom Menschen nicht nutzbares Gelände. Doch das Potenzial für größere Schutzflächen ist da, so die Forschenden. Sie mahnen die EU daher, ihr Tempo beim Naturschutz deutlich anzuziehen.

Im Mai 2020 hat die EU ihre Biodiversitätsstrategie für 2030 beschlossen. Dieser ehrgeizige Plan sieht vor, die biologische Vielfalt und die Ökosysteme Europas stärker zu schützen. Zu diesem Zweck sollen bis 2030 rund 30 Prozent der EU zu Schutzgebieten werden, zehn Prozent davon sollen sogar unter strengem Schutz stehen. Das bedeutet, dass dort keine Störungen durch menschliche Aktivitäten wie Bergbau oder Abholzung stattfinden dürfen. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass wir dieses selbstgesteckte Ziel erreichen?

Wildnissuche in Europa

Forschende um Roberto Cazzolla Gatti von der Universität Bologna haben nun untersucht, wie nahe wir dem zehn Prozent-Ziel bereits sind. Dafür ermittelte das Team auf Basis verschiedener Datenbanken, wie viel Prozent der EU-Fläche bisher streng geschützt sind. Als streng geschützte Gebiete galten dabei Naturschutz- und Wildnisgebiete sowie Nationalparks im Sinne der Statuten der Weltnaturschutzunion IUCN. In diesen Gebieten müssen alle industriellen, extraktiven und zerstörerischen Aktivitäten, die Arten und Lebensräume beeinträchtigen, unterlassen werden.

Auf Basis dieser Kriterien konnten Cazzolla Gatti und seine Kollegen schließlich herausfinden, wie viel Prozent der Fläche jedes einzelnen EU-Mitgliedsstaates streng geschützt sind und in welche Landschaftstypen sich die Gebiete aufteilen – zum Beispiel alpine Hänge oder Meeresflächen. Zusätzlich zum Ist-Zustand hat das Team auch ermittelt, wie viel Potenzial für streng geschützte Gebiete die einzelnen Staaten theoretisch noch haben. Dafür addierten sie alle Flächen mit geringer Bevölkerungsdichte, um Gebiete mit möglichst wenigen menschlichen Einflüssen zu finden.

geschützte Fläche
Anteil der streng geschützten Gebiete an der Gesamtfläche. © Universität Bologna

EU noch weit vom zehn Prozent-Ziel entfernt

Das Ergebnis: Insgesamt gibt es in der EU aktuell 9.382 strenge Schutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 139.153,38 Quadratkilometern. Das entspricht rund 3,37 Prozent der EU-Fläche und ist somit noch weit entfernt von den angestrebten zehn Prozent bis 2030, wie die Forschenden berichten. Die bisher geschützte Fläche ist außerdem sehr ungleich unter den EU-Mitgliedsstaaten verteilt. Während in Luxemburg 36,3 Prozent der Landesfläche unter strengem Schutz stehen, sind es in Deutschland gerade einmal 0,6 Prozent. Noch schlechter schneiden lediglich Dänemark mit 0,2 Prozent und Belgien mit 0,1 Prozent ab.

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Hinzu kommt, dass sich die streng geschützten Gebiete vorrangig dort befinden, wo sowieso keine Konflikte mit menschlicher Landnutzung zu erwarten sind, zum Beispiel in Höhenlagen oder an steilen Hängen. Auch in Deutschland konzentriert sich der Schutz vorwiegend auf die Gebirge. Fünf Prozent aller alpinen Gebiete sind hierzulande streng geschützt, allerdings nur 0,6 Prozent des Flachlandes und 0,3 Prozent der Meeresflächen. Da in den steilen und hochgelegenen Gebieten ohnehin kaum mit menschlichen Eingriffen zu rechnen ist, brauchen sie eigentlich auch keinen formalen Schutz, erklären Cazzolla Gatti und seine Kollegen. Die Forschenden regen daher an, stattdessen die gesamte Bandbreite europäischer Landschaftstypen anteilig unter Schutz zu stellen.

Platz genug gäbe es dafür, denn die Analysen haben ergeben, dass sich theoretisch 19 Prozent der Fläche in den EU-Staaten für strenge Schutzgebiete eignen würden. Während Luxemburg sein Potenzial bereits so gut wie ausgereizt hat, gibt es bei anderen europäischen Ländern noch Luft nach oben. In Deutschland kämen nach Ansicht der Forschenden zum Beispiel 1,4 Prozent der Fläche als strenge Schutzgebiete in Frage statt der bisherigen 0,6 Prozent. Schweden könnte sogar von bisher 10,1 Prozent auf 57 Prozent aufstocken. Cazzolla Gatti und sein Team mahnen dazu, dieses Potenzial nicht ungenutzt zu lassen, um das zehn Prozent-Ziel nicht zu verfehlen.

Quelle: Università di Bologna; Fachartikel: Biodiversity and Conservation, doi: 10.1007/s10531-023-02644-5

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